Der Fachverband
Der Ausbruch des Krieges machte sich zunächst in der Arbeit des Gesamtverbandes nicht weiter bemerkbar. Es liefen die Vorbereitungen zu einer Tagung, welche für den Sommer 1914 vorgesehen war und die in Köln stattfinden sollte. Die Mitgliederzahl war mittlerweile auf 88 Mitglieder gestiegen. – Am 4. Juli 1914, einen Monat vor Kriegsausbruch, fand dann in Köln das als vierte Bühnentechnische Tagung bezeichnete Treffen statt. Wichtigstes Ereignis war ein Beschluss folgenden Inhalts: Nach längerer Diskussion wurde, insbesondere durch die Berliner Kollegen veranlasst, die Öffnung des Verbandes auch für Mitarbeiter der unteren technischen Hierarchie gestattet. Ab sofort durften nicht nur selbstständige technische Vorstände, Technische Direktoren oder Leiter, als Mitglieder in den Verband aufgenommen werden, sondern auch Bühnentechniker, die einen Zweig des technischen Bühnenbetriebes in einem Haus unter einem technischen Oberleiter verantwortlich betreuten. Das war zwar noch nicht der vollendete Durchbruch zu einer neuen Mitgliederstruktur, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, denn ausgenommen blieben weiterhin alle selbständigen Meister als technische Vorstände der vielen kleineren Theater, die sich – meist aus wirtschaftlichen Gründen – keine Technischen Direktoren oder Leiter leisten konnten.
Ein anderer Beschluss dieser 4. Bühnentechnischen Tagung war, die Wiederaufnahme des Erscheinens der BTR als verbandseigenes Mitteilungsblatt zu betreiben. Die beiden bis dahin aktiven Schriftleiter, Fritz Brandt – Berlin und Max Hasait – Dresden stellten bei der Kölner Tagung ihr Amt zur Verfügung und legten die Schriftleitertätigkeit nieder. Als neuer Schriftleiter wurde der Maschineriedirektor des königlichen Schauspielhauses Dresden, Adolf Linnebach gewählt. Friedrich Hansing aus Chemnitz übernahm gleichzeitig die Anzeigenwerbung und Betreuung der Anzeigenkunden. Durch den seit 1. August 1914 eingetretenen Kriegszustand verzögerten sich aber die Bemühungen der beiden Herren so, dass erst im November 1914 ein neues Heft der BTR erscheinen konnte. Für das Jahr 1915 waren dann fünf Hefte und für 1916 sechs Hefte vorgesehen, von denen es aber bis heute keinerlei Existenzbelege mehr in den uns zugänglichen Archiven gibt.
Eine besondere Geste der Tagung in Köln war die Ernennung des Geheimen Hofrates Fritz Brandt, verdienstvoller Maschineriedirektor der Berliner Hoftheater zum Ehrenvorsitzenden des Verbandes Deutscher Bühnentechniker. Er war besonders in den Anfangsjahren der Verbandsarbeit in Wiesbaden durch seinen persönlichen Einsatz hervorgetreten.
Über den Gesamtverband selbst gab es außer der Eintragung im Neuen Theater Almanach 1914 der Bühnengenossenschaft, mit dem wörtlich gleichen Text der vorangegangenen Jahre, als Neueintragung den Bericht über die 1912 erfolgte Wahl des nunmehrigen Gesamtvorstandes, welcher bis zu dem Erscheinungszeitpunkt des Almanachs nicht offiziell veröffentlicht worden war. Der neue Vorstand wurde wie folgt aufgeführt: 1. Vorsitzender: M. Hasait, Technischer Direktor, Opernhaus Dresden; 2. Vorsitzender: Ernst Uhlig, Maschinerie Inspektor, Herzogliches Hoftheater Altenburg; Kassierer: Louis Hauschild, Obermaschinenmeister Stadttheater Halle a.d. S.; 1. Schriftführer: Georg Schiro, Obermaschinenmeister, Schauspielhaus Frankfurt am Main; 2. Schriftführer: Christian Engelhardt, Obermaschinenmeister, Schauspielhaus Bremen; Ferner drei Beisitzer: a) Wilhelm Bergmann, Technischer Oberinspektor, Stadttheater Nürnberg; b) Hermann Mund, Technischer Oberinspektor, Königliches Hoftheater Hannover; c) Custav Werner, Obermaschinen Meister, Stadttheater Zürich.
Theatergeschichte
Trotz des inzwischen begonnenen Krieges wird das von Oskar Kaufmann im Osten Berlins in der Nähe des Alexanderplatzes erbaute Volksbühnentheater am 30. Dezember 1914 in Betrieb genommen.
Ein anderes kleines deutschsprachiges Theater mit maximal 80 Plätzen wird in der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn im Jahr 1913 in der Gemeinde Szekszárd erbaut. Da die Fertigstellung des Neubaues in das Jahr des Kriegsbeginns 1914 fällt, kann auch dieses Theater nicht wie vorgesehen in Betrieb genommen werden. Es erschien erst in einem der letzten Bühnenjahrbücher mit dem folgenden Eintrag: Erbauungsjahr 1913; Eröffnung am 24. November 1994.
Das waren die wenigen, bis heute überlieferten Ereignisse der Verbandsarbeit aus dem Jahr 1914. Allem Anschein nach hatte der in diesem Jahr ausgebrochene Krieg bis zum Jahresende noch keine einschneidenden Beschränkungen der Theaterarbeit und somit auch der Verbandsarbeit erbracht. Leider war es aber nicht möglich gerade auf diesen Zeitabschnitt bezogene authentische Aussagen oder Belege in den Archiven der Museen, Bibliotheken oder Lehranstalten aufzutreiben, welche die Vorgänge genauer hätten belegen können.
Das Umfeld
Am 28. Juni 1914 erfolgte durch den Serben Gavrilo Princip in Sarajewo das tödliche Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar Franz Ferdinand und seine Gemahlin. Der Attentäter handelte im Auftrag einer serbischen Untergrundbewegung, deren Ziel es war, auf dem Balkan ein Großserbisches Reich zu schaffen. In einer Woge von Serbenhass und vaterländischer Erregung verlangte man in Osterreich stürmisch eine Abrechnung mit den Serben. Serbien war aber mit Russland befreundet, welches auch Garantien für die Integrität Serbiens übernommen hatte. Ein österreichischer Angriff auf Serbien konnte also nur mit deutscher Rückendeckung geschehen. Am 6. Juli sicherte der deutsche Reichskanzler Bethmann Hollweg der Regierung in Wien die unbedingte Bündnistreue des deutschen Kaisers zu. Gestützt auf diese Blankovollmacht richtete Österreich an Serbien am 23. Juli ein Ultimatum, das hieß eine mit Gewaltandrohung verbundene befristete Forderung, und erklärte, als die serbische Regierung ausweichend antwortete, am 28. Juli 1914 den Krieg. Als diese Kriegserklärung in Russland bekannt wurde, drängten die dortigen Militärs auf die Generalmobilmachung aller Truppen. Das bedeutete die unmittelbare Bedrohung sowohl Deutschlands als auch Österreichs.
Am 1. August folgte in Deutschland die allgemeine Mobilmachung und die offizielle Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland. Bereits am 2. August marschierten deutsche Truppen in Luxemburg ein, am 3. August auch in Belgien. Am gleichen Tag erklärte das Deutsche Reich auch Frankreich den Krieg. Die Verletzung der belgischen Neutralität und die gefährliche Bedrohung Frankreichs führten schließlich am 4. August 1914 zum Eintritt Englands in den Krieg mit der Kriegserklärung an das Deutsche Reich. Beide Seiten gaben sich einander die Schuld am Ausbruch des Krieges und jeder war überzeugt, dabei im Recht zu sein.