1916

Der Fachverband

Beim Verband Deutscher Bühnentechniker ging es still zu, soweit man es den spärlich vorhandenen Unterlagen entnehmen kann. Kriegsbedingt fanden keinerlei Tagungen oder Treffen statt. Viele Mitglieder waren inzwischen zum Militärdienst eingezogen worden, und die daheim verbliebenen Kollegen in den Betrieben hatten die Arbeit der Eingezogenen mit zu erledigen. Ob im Berichtsjahr 1916 real sechs Hefte der BTR erschienen sind war, wie berichtet, nicht festzustellen. Im Bühnenjahrbuch 1916 wurden lediglich Änderungen im Vorstand des Verbandes angezeigt, welche sich anscheinend aus der allgemeinen Lage ergaben. So wurde Fritz Heimreich als für einen Stellennachweis in der BTR Verantwortlicher angegeben. 

Außerdem als Ehrenvorsitzender: der Geheime Hofrat an den Königlichen Hoftheatern zu Berlin, Fritz Brandt und als Ehrenmitglied: Hofrat an dem Königlichen Theater zu Wiesbaden, Carl August Schick, der Begründer des Wiesbadener Verbandes. Die mittleren und kleinen Bühnen, welche die eigentliche Zahl der deutschsprachigen Theater ausmachten, blieben von der Tätigkeit des Verbandes deutscher Bühnentechniker weitgehend unberührt. Die überwiegend höfisch und privat kontrollierten Theater bestimmten über den Deutschen Bühnenverein, als deren maßgebende Mitglieder, das Geschehen und die Betriebsabläufe. Die wenigen kommunal betriebenen HäŠuser, nur zum Teil Mitglieder des DBV, schlossen sich der vorgegebenen Marschroute an. Die Ÿübrigen Mittel- und Kleinbetriebe, die ohne Bindung an den DBV oder eine gleichwertige Organisation auf sich selbst gestellt waren, hatten einen zu kleinen Personalstand und kaum ausreichende Finanzmittel für den laufenden Spielbetrieb. Die Beschäftigten, neben der den Alltag voll ausfüllenden Arbeit im Betrieb, waren nicht in der Lage irgendwelche Nebentätigkeiten für einen Verband oder dergleichen Institution zu leisten. Obwohl die GDBA für verbesserte Sozial- und Gagenbedingungen kämpfte, blieben die technischen Mitarbeiter der unabhängigen Klein- und Mittelbetriebe den Organisationen VDB oder GDBA fern. Da aber das Eintreten um bessere Sozialverhältnisse und Bezahlung nicht zu den ausgesprochen wichtigen Themen des VDB zählte, war es verständlich, daß er in dem letztgenannten Bereich keine Mitglieder finden konnte.

Ein anderes Problem des VDB in jenen Jahren war die Mitgliedschaft juristischer Personen oder korporativer Verbindungen. Aus den nur spärlich überlieferten Unterlagen ist nicht zu entnehmen, welche Satzungsbestimmungen bei den Gründungen sowohl in Wiesbaden als auch in Berlin oder später beim Gesamtverband festgelegt wurden, um die Eintragungen ins Vereinsregister zu erhalten. Inwieweit eine Mitgliedschaft dieser Klientel Ÿüberhaupt zur Diskussion stand, ist heute nicht mehr festzustellen. 

Theatergeschichte

Trotz der deprimierenden Lebensaussichten läuft das Kulturleben allgemeinen und das der Theater im Besonderen, weiter, wenn auch stark eingeschränkt. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass in diesen schwierigen Zeiten in München in der Dachauer Straße ein Kroneneubau erfolgt und im Berichtsjahr eröffnet wird.

Die Hansestadt Stralsund eröffnet am 16. September einen Theaterneubau mit ca. 519 Plätzen für einen regulären Spielbetrieb als Stadttheater.

In der neutralen Schweiz, vom Krieg bis dahin nur minimal tangiert, wird im Jahr 1916 in der Ortschaft Langenthal der Neubau eines Stadttheaters mit 446 Plätzen von den Architekten Kaiser und Bracher aus Zug erstellt, mit regelmäßigen Aufführungen in Betrieb genommen.

Das Umfeld

Der Krieg dauerte an. Die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung und auch einzelner Truppenteile stand im schroffem Gegensatz zum Durchhaltewillen der politischen und militärischen Führungskräfte. An der Westfront begannen die zermürbenden Stellungskämpfe mit zwei wichtigen in die Geschichte eingegangenen Schlachten: Februar bis Juli 1916 bei Verdun und Juni bis November 1916 an der Sommė. Am 31. Mai und 1. Juni 1916 fand unter Einsatz der Großkampfschiffe beider Seiten vor dem Skagerrak eine Seeschlacht statt, welche aber keine Entscheidung brachte. Als im Berichtsjahr 1916 auch die Kartoffelernte schlecht ausfiel, kamen Steckrüben auf den Tisch. Wer etwas zu tauschen hatte, zog zum Hamstern hinaus aufs Land. Reiche Leute versorgten sich auf dem Schwarzmarkt, wo es zu Phantasiepreisen fast alles gab. Das tägliche Leben litt, je länger der Krieg dauerte, desto mehr unter seinen Folgen. Alle vorhandenen arbeitsfähigen Kräfte wurden zum Einsatz in Rüstungs- oder Versorgungsbetrieben erfasst, in wachsender Zahl auch Frauen. Immer mehr Schulen wurden zu Lazaretten für verwundete Soldaten umgewandelt. Mit zunehmender Angst schauten Frauen und Mütter auf die Verlustlisten, welche an Rathäusern und anderen öffentlichen Stellen ausgehängt wurden. Dem Begeisterungstaumel des Kriegsbeginns folgte die allgemeine Ernüchterung.


BTR Heft 2 1916