1920

Der Fachverband

Nachdem der Verband künstlerischer und technischer Bühnenvorstände endgültig als Berufsgruppe in die GDBA eingegliedert war und damit die Selbständigkeit als Verein eingebüßt hatte, erhielt er zunächst die Bezeichnung: Deutsche Bühnengenossenschaft, Berufsgruppe technischer Bühnenvorstände. Damit unterstanden alle bisherigen Verbandsmitglieder automatisch den Satzungsbestimmungen der Genossenschaft, deren wichtigstes Ziel die Fortschreibung und Verbesserung der von ihr initiierten Tarifverträge war. 

Erfreulich für die Leitung der neuen Berufsgruppe war die Tatsache, daß sich die Mitgliederzahl auf 447 Personen erhöhte und von da ab stetig weiter anstieg. Durch dieses Gewicht bestärkt, sah sich das Präsidium der Genossenschaft unter dem Drang des Berufsgruppenvorstands gezwungen mit dem Deutschen Bühnenverein Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Technischen Bühnenvorstände auf der Grundlage der Soloverträge im künstlerischen Bereich aufzunehmen, welchen nach längeren Verhandlungen Erfolg beschieden war. Bereits in dem ersten Doppelheft Nr. 1/2 der Monate Januar/Februar der BTR konnte ausführlich über den neuen Tarifvertrag berichtet und derselbe im Wortlaut abgedruckt werden. Erscheinungsweise, Herausgabe und Schriftleitung der BTR änderten sich zu Beginn des Jahres von Grund auf. Das letzte – 6. Heft des Vorjahres erschien bereits mit dem Untertitel: Zeitschrift der Berufsgruppe Technischer Bühnenvorstände in der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen. Der langjährige Schriftleiter A. Linnebach – Dresden, zeichnete noch für das Doppelheft Nr. 1/2 verantwortlich, gab aber danach wegen Arbeitsüberlastung die Schriftleitung auf. Friedrich Hansing, der mittlerweile von Chemnitz nach Stuttgart übergesiedelt und dort als Technischer Direktor bei den Württembergischen Staatstheatern in Dienst getreten war, über nahm ab 1920 hauptverantwortlich die Schriftleitung. Die Geschäftsstelle mit Anzeigenannahme und Abonnementbetreuung wechselte ebenfalls nach Stuttgart. Als einziges Fachblatt für nunmehr alle Zweige des Theaterausstattungswesens sowohl des Inlands als auch des Auslands bot es umfangreichere Propagandamöglichkeiten für die einschlägige Industrie, welche die Zeitschrift als wichtiges Insertionsorgan für ihre Produkte erkannt hatte. Mit acht Seiten begann der Neuaufbau der Zeitschrift, und das Präsidium der Genossenschaft gewährte zunächst als Starthilfe den finanziellen Rückhalt, bis es möglich war durch Anzeigen und Abonnementsbeiträge eine feste Stütze für das weitere Erscheinen erreicht zu haben. Die Folge der Umstellungen und Umorganisationen war der Ausfall des dritten Heftes, deshalb erhielt das erste in Stuttgart herausgegebene Heft die Bezeichnung: Heft 4/5. Nachdem der Fehler bemerkt worden war, holte man den Ausfall des Heftes 3 durch ein zwölftes Heft im Dezember 1920 nach. Eine andere Schwierigkeit aus der Umstellung der BTR von Chemnitz nach Stuttgart ergab sich für das Inseratengeschäft mit den Firmen. Das vorab genannte erste Doppelheft zu Beginn des Jahres erschien ohne Inserate wegen des Wechsels der Druckereien. Die in Dresden zustŠändig gewesene Buchdruckerei der Dr. GŸüntz’schen Stiftung musste aufgegeben werden. In Stuttgart Ÿübernahm die Setzmaschinendruckerei Holzinger & Co. Druck und Auslieferung der Zeitschrift.

Wegen der notwendigen Einkommensregelungen zum Tarifvertrag für Technische Bühnenvorstände teilte man die Theater im Reichsgebiet in fünf verschieden Klassen ein. 1. Klasse: Alle großen staatlichen, städtischen oder privaten Theater mit großen Anforderungen; II. Klasse bis IV. Klasse alle mittleren und kleinen Theater, je nach ihren Anforderungen gestaffelt; V. Klasse : Kleinsttheater mit geringen technischen Anforderungen und Versammlungsräume mit Podien für Darbietungen. 

Für die Technischen Bühnenvorstände wurden vier Gruppen erstellt, welche die Klassifizierung des Einzelnen nach seiner verantwortlichen Tätigkeit festlegten und gleichzeitig Titel und Aufgabengebiet umrissen; Gruppe 1: Technische Oberleiter, inklusive aller Direktoren, Oberinspektoren, Beiräte und Abteilungsvorstände, welche als direkte Weisungsempfänger den Technischen Direktionen unterstellt waren; Gruppe 2: Technische Abteilungsvorstände, inklusive Vertreter der Gruppe 1, sowie Meister und Vorhandwerker aller Sparten, soweit sie einer Technischen Direktion unterstanden; Gruppe 3: Technische Gruppenvorstände, welche selbständig verantwortlich waren und nicht einer Technischen Direktion unterstanden; Gruppe 4: Alle übrigen Vorgesetzten in einer Abteilung eines technischen Betriebes, sofern sie nicht zu den Gruppen 1 bis 3 gehörten. Im Zusammenhang mit diesem Tarifvertrag wurde ein Stellennachweis für technische Bühnenvorstände in der BTR eingerichtet. Dazu wurden Büros in Berlin eröffnet. 

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Eine Vollversammlung mit Tagung sollte die bis dahin ausschließlich vom bisherigen Verbandsvorstand und nunmehrigem provisorischen Berufsgruppenvorstand ausgehandelten Verträge zur Diskussion stellen und durch die Mitglieder bestätigen lassen. Das hatte aber Schwierigkeiten; wegen der umfangreicher gewordenen Mitgliederzahl und der damit zusammenhängenden Betreuung, wurde eine Bezirkseinteilung der Berufsgruppe notwendig. Es entstanden fünf Bezirke: Norddeutschland, Ostdeutschland, Mitteldeutschland, Westdeutschland und Süddeutschland. Entsprechend dieser Einteilung, wurden für jeden Bezirk zeitlich versetzt Bezirkstagungen angesetzt, welche aber gleichlautende Tagesordnungen seitens der Berufsgruppenleitung vorgegeben bekamen, um eine einheitliche juristische Grundlage für deren Beschlüsse zu erreichen. Zugelassen waren nur die Mitglieder der Genossenschaft. Bei den genannten Tagungen wurden gleichzeitig die zu ernennenden Bezirksleiter gewählt, welche den ‘Gruppenrat der Berufsgruppe bildeten und die wiederum aus ihrer Mitte den verantwortlichen Berufsgruppenleiter gegenüber dem Präsidium des Genossenschaftsvorstandes bestimmten. Im Grunde genommen hat sich diese Regelung bei der Bühnengenossenschaft bis heute erhalten. Inwieweit diese getrennt anberaumten Bezirkstagungen stattgefunden haben, ist nicht mehr einwandfrei festzustellen. Über die Stuttgarter Tagung des Bezirkes Süddeutschland allerdings, wurde ausführlich in der BTR berichtet, da der zuständige Bezirksleiter Fr. Hansing gleichzeitig der Schriftführer der BTR war.  In der von W. Unruh 1966 aufgestellten Zählliste der Bühnentechnischen Tagungen wurde die Düsseldorfer Bezirkstagung vom 22./23. Juli 1920 offiziell als Gesamttagung des Verbandes unter Nummer 7 eingetragen, obwohl es 1920 gar keine Gesamttagung gegeben hat. Wegen der ausführlicheren Berichterstattung sollte man die Stuttgarter Bezirkstagung als Nummer sieben, eintragen und in einem Vermerk auf die anderen gleich zeitig stattgefunden Bezirkstagungen verweisen. 

Theatergeschichte

Die Hochkonjunktur der Theaterbesuche blieb aufgrund neuer Dramenstoffe, neuer Darstellungsweisen und neuer ausländischer Werke zunächst stabil, doch machte sich zu Beginn des neuen Jahrzehnts die Konkurrenz von Kino, Tonträgersystemen, Sport und Rundfunk (ab Oktober 1923) und des wenig später aufkommenden Tonfilms deutlich bemerkbar. 

Seit Beginn des Jahres ging unter der Leitung von A. Linnebach – Dresden, der Umbau des Schloßparktheaters in Berlin zu einer neuzeitlichen Bühne voran. Eine von L. erfundene neuartige Form der Drehbühne, welche bessere Raumausnutzung ermöglichte und vor allem die Tiefe eines Bühnenbildes vergrößerte, wurde zur Anwendung gebracht. 

In München war ein neues Theater auf genossenschaftlicher Grundlage entstanden. Es sollte den Arbeitern eine Stätte geben, wo sie sich nicht als Gäste, sondern zu Hause fühlten. Diese Neue Bühne betonte trotz ihrer Grundlage, daß sie sich von aller Politik fern halten wolle. 

Im Burgtheater Wien wurden während der Sommerpause vor dem Vorhang zu beiden Seiten des Proszeniums zwei in großen Dimensionen gehaltene Kandelaber aufgestellt. Nach dem Zuschauerraum hin abgeblendet, waren sie ausschließlich zur intensiveren Beleuchtung der Bühnenbilder bei den Aufführungen großer Tragödien bestimmt. Außerdem wurde, um die Gestalten der einzelnen Darsteller schärfer hervortreten zu lassen, ein Scheinwerfer in der Mitte der Orchesterrückwand angebracht.
In der Königlichen Oper zu Stockholm wurde durch den Dresdener Technischen Direktor Max Hasait, eine Rundhorizontanlage eingebaut. Die Beleuchtungseinrichtung dafür, einschließlich eines Wolkenapparates, wurde von der Firma Schwabe & Co. Berlin geliefert, die auch gleichzeitig die übrige Bühnenbeleuchtung durch moderne Apparate verbesserte. Bei ihrer erstmaligen Benutzung wurde die gesamte Anlage von der nordischen Presse mit großem Lob ausgezeichnet.
Über die Petersburger Theater unter der Bolschewikiherrschaft gibt eine Mitarbeiterin von Dagens Nyheter eine Schilderung der dort herrschenden Theaterzustände, die bei aller tendenziösen Färbung manche interessanten Tatsachen enthielten. Auch in den anderen Theatern der Stadt würden regelmäßig Freivorstellungen oder doch Vorstellungen mit ganz niedrigen Preisen veranstaltet. Ebenso fänden in Kasernen und anderen Einquartierungsstellen Vorstellungen für Soldaten und die Rote Garde statt, bei der Volkssagen und andere leichtfaßliche Stoffe als Gegenstand der Handlung bevorzugt wurden. Russlands berühmtester Sänger, Schaljapin, schenkte sein gesamtes Honorar für einen Abend in der Oper einem Fonds für die Kinder der Theaterarbeiter. 


BTR Hefte 1- 6 / 1920