Der Fachverband
Eine Mitteilung in Heft 1/1928 der BTR beschäftigte sich mit der Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Bühnenbetriebe. Aufgrund eines im Reichstag im Dezember 1926 beschlossenen Gesetzentwurfes, nach dem auch die Bühnenbetriebe in die Unfallversicherung einbezogen werden sollten, sollte die Vorlage des entsprechenden Gesetzes noch im Januar 1928 erfolgen. Entgegen den Absichten einiger Vertreter der Berufsgenossenschaften, die eine möglichst enge Begrenzung des Begriffs Bühnenbetriebe wünschten, wurde erklärt, dass der Reichstag mit der Bezeichnung Bühnenbetriebe eine möglichst weite Ausdehnung dieses Begriffes im Auge gehabt habe, so dass nicht nur Theaterbetriebe für die Einbeziehung in Frage kommen sollten, sondern überhaupt alle Betriebe, in denen von Bühnen Veranstaltungen dargeboten werden, also auch auf Kinos und alle Säle mit Bühneneinrichtungen.
Zu einem Tagungsvorschlag, Kiel betreffend, waren beim Gruppenobmann verschiedene Einsprüche eingegangen, was diesen veranlasste in Heft 2/1928 der BTR nunmehr die Tagung 1928 in Berlin vom 9.-11. Juli stattfinden zu lassen. Berlin biete weitgehendste Gelegenheiten zur Besichtigung industrieller Werke und bühnentechnischer Firmen, so dass auch der diesjährigen Veranstaltung ein voller Erfolg gesichert sein dürfte. Damit stand der Tagungsort fest.
Außer den der Berufsgruppe angehörenden technischen Bühnenvorständen werden auch nichtorganisierte Kollegen und solche, die anderen Organisationen angehören, freundlichst eingeladen. Die Inhaber und Vertreter von bühnentechnischen und Ausstattungsfirmen sind willkommen und es soll ihnen Gelegenheit gegeben werden ihre Erzeugnisse und Neuerungen auszustellen und vorzuführen.
Unter der Überschrift: Von der Berufsgruppe erschien von W. Unruh eine Rundfrage und ein Aufsatz als Diskussionsbasis für die Jahrestagung, auf den die Chronik besonders eingehen muss.
Vor einigen Wochen verschickte die Ortsgruppe Mannheim der Berufsgruppe technischer Bühnenvorstände einen Fragebogen an die Kollegen von 25 Theatern, um aus deren Stellungnahme sich über eine Anzahl schwebender genossenschaftlicher Fragen klar zu werden. Die Jahresversammlung in Berlin sollte nicht nur eine interessante Gegenüberstellung, sondern auch neue Anregungen zur Weiterarbeit in der Berufsgruppe geben. Leider ist die Anfrage nur von 9 Kollegen ausführlich beantwortet worden, also das gleiche negative Ergebnis, wie die Aufforderungen zur Mitarbeit, die von Gruppenobmann Ludwig, von Linnebach, Hasait und Hansing auf den Tagungen und in der Zeitschrift schon jahrelang vergeblich erhoben werden. Ja, geht es denn den Kollegen wirklich so gut, dass sie die Berufsgruppe nicht brauchen, ist denn die Berufsarbeit so groß, daß im einzelnen das Streben für die allgemeine Hebung des Berufsstandes abgetötet wird oder ist etwa das Vertrauen in die Arbeit der Berufsgruppe geschwunden?
Bei den wenigen eingegangenen Antworten herrsche einmütig Übereinstimmung darüber, daß in den letzten Jahren keinerlei nützliche Arbeit seitens der Genossenschaft für die Angehörigen der Berufsgruppe geleistet wurde, dass aber andererseits auch gar nicht an die Genossenschaft zwecks Leistung solcher Arbeit herangetreten worden sei. – Von anderen Organisationen sei aber auch nichts erreicht worden, einmal weil es der Bühnenverein ablehnt, mit anderen Organisationen als der Genossenschaft zu verhandeln, andererseits weil andere Organisationen mit dem technischen Theaterbetrieb noch viel weniger verbunden sind, als dass sie überhaupt nützlich arbeiten könnten. Für die Bühnentechniker komme also eine andere Organisation gar nicht in Frage. Wenn auch keine anderen Vorteile dadurch gegeben seien, so wäre das geistige Band, welches die Genossenschaft um alle Kategorien der Theaterangestellten schließt, allein ausreichend, ein Verbleiben der Berufsgruppe in der Genossenschaft zu rechtfertigen. Es erschien also alles in schönster Ordnung. Es war aber durchaus nicht alles in Ordnung: es herrsche eine schleichende Unzufriedenheit und weite Kollegenkreise blieben der Berufsgruppe fern. Sehr begrüßt wurde deshalb die Anregung in der BTR, als dem Organ der Berufsgruppe regelmäßig Mitteilungen des Vorstandes, laufende Berichte über die mannigfaltigen Arbeiten und Sitzungen des Vorstandes und Gruppenrates (dieser Begriff tauchte hier erstmalig auf!), Bekanntgabe von Schiedsgerichtsurteilen, Gutachten über Unfälle und andere wichtige Hinweise erscheinen zu lassen, wie dies bei jeder Vereinigung, die ein Fachblatt besitzt, eigentlich selbstverständlich ist. Regelmäßige Veröffentlichungen sollten angeregte Fragen weiterspielen, eine laufende aufklärende Berichterstattung über Standesfragen, wie Berufsausbildung, Prüfungstätigkeit, Besoldungsregelungen an einzelnen Theatern sollten erfolgen. Besondere Leistungen und die Aufstellung neuer Ziele würden der Berufsgruppe und damit der Genossenschaft in den eigenen Kreisen mehr Mitarbeiter zu führen und auch den Bühnentechniker und seine Tätigkeit in den weiten Leserkreisen der BTR bekannter machen und damit fördern.
Mit diesem Aufsatz von Unruh geißelte er zum wiederholten Male das fachliche und soziale Desinteresse und die stets fehlende Mitarbeit durch die meisten Kollegen. Zweitens wollte er die BTR zu einem international anerkannten Fachblatt der Theatertechnik, sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich, machen. Drittens sollte der Standard der deutschen Theatertechnik auf ein möglichst hohes fachliches Niveau gehoben werden, um diese sowohl für technische Hochschulen als auch die allgemeinen Berufsbildungsinstitutionen interessant zu machen und damit in der Öffentlichkeit eine breitere Basis für die Schaffung anerkannter Berufsbilder der theatertechnischen Spezialberufe zu erreichen. Die Jahrestagung 1928 zählte in der Teilnehmerliste 84 Berufsgruppenmitglieder, 19 nicht organisierte oder anderen Verbänden angehörende Kollegen, sowie 38 Gäste, Genossenschaftspräsidium, Presse, Bühnenverein, Firmenvertreter, welche zum großen Teil ihren Dienstsitz in Berlin hatten. Da es keine ausdrücklich vorher festgesetzten Referate und Themen zu dieser 15. Bühnentechnischen Tagung gab, was zu Beanstandungen durch die Teilnehmer führte, wurde am ersten Tag über Bühnenunfälle und, wie immer, die Prüfungsordnung gesprochen und anschließend diskutiert. Für zukünftige Tagungen, so Unruh, sollte man zu einer Zahl fester Vortragsthemen mit anschließender Diskussion zurückkehren, damit sich die Teilnehmer entsprechend darauf einstellen könnten. Bei den angesprochenen Bühnenunfällen, bestehe keinerlei Sicherung der Bühnenmitglieder durch eine Reichsversicherung oder ein entsprechendes Gesetz. Die privaten Haftpflichtversicherungen griffen nur dann ein, wenn ein Verschulden des Theaters selbst vorliege, wobei immer zunächst versucht werde, die Schuld dem Verunglückten zuzuschieben. In allen Fällen laufe es aber meistens auf einen Prozeß hinaus, der durchschnittlich von längerer Dauer sei. Die Technischen Vorstände hätten aber an einer gesetzlichen und sozialen Regelung deshalb größtes Interesse, weil sie meist persönlich als die alleinigen Verantwortlichen bezeichnet würden. Tatsächlich besteht aber in vielen Fällen eine Mitverantwortlichkeit der Theaterleiter und der Regisseure, welche den Einwendungen der sachverständigen Techniker den Sinn eines die künstlerische Arbeit hemmenden Einspruches beilegten. Dies widersprach den Tatsachen und der Sorge um die Sicherheit der Bühnenmitglieder. Selten werde dabei auf die meist sehr beschränkten technischen Möglichkeiten der örtlichen Bühne Rücksicht genommen. Die große Zahl von Regisseuren und Bühnenleitern, welche von großen zu kleinen Bühnen wechseln, erzeugen durch gegenseitiges Überbieten in Zahl der Neuinszenierungen und Größe der geforderten Aufbauten eine Ausstattungswut, welche in keinerlei Verhältnis zu den Leistungsmöglichkeiten des betreffenden Theaters stünden. Die Folge sei in vielen Fällen mangelhafte Ausführung und unzureichend vorhandene Sicherheit, denen die technischen Vorstände, mangels Einspruchsmöglichkeiten, ausgeliefert seien. Wesentlichster Grundsatz müsse sein, dass vom bisherigen Verschuldungsprinzip zum Verursacherprinzip übergegangen werde. Wer in einem gefährlichen Betrieb, wie es eine Bühne ist, Leute beschäftige, müsse auch nach den daraus entstehenden Konsequenzen handeln.
Bei der Debatte über die Prüfungsordnung wurden einige Änderungen bekanntgegeben und der Wunsch nach Vereinfachung und Vereinheitlichung der Bestimmungen in den verschiedenen Ländern ausgesprochen. Die Versammlung beschloss, die Streichung der Altersgrenzen in der Verordnung zu beantragen.
Die Themen der Nachmittagssitzung, an der ausschließlich Genossenschaftsmitglieder teilnehmen konnten, standen im Zeichen der bereits genannten Fragebogenaktion. Die Anregungen fanden im wesentlichen die allgemeine Zustimmung der Versammlung. Von den angenommenen Anträgen wurde unter anderem der weitere Ausbau der Bühnentechnischen Rundschau und die Verwendung des jeweiligen Tagungsheftes als Werbenummer beschlossen. Zur nächstjährigen Tagung wurde nach Mannheim-Heidelberg eingeladen.
Bei den verschiedenen angesetzten Besichtigungen, war von größtem Interesse die Besichtigung der neuen technischen Anlagen in der umgebauten Berliner Staatsoper Unter den Linden unter der Führung des Kollegen Direktors Georg Linnebach. Während die Bühnentechniker Gelegenheit hatten, die zur Zeit modernste Bühneneinrichtung und einen vorbildlichen Bühnenbetrieb zu bewundern, nahmen die Kostümfachleute der Berufsgruppe die schier unübersehbaren Garderobenbestände und dazu gehörigen Werkstätten in Augenschein.
Ein neues anregendes Gebiet erschloß die Besichtigung und Vorführung der Anlagen des Titania-Palastes in Berlin-Steglitz, eines der neuesten und modernsten Lichtspieltheater Deutschlands, dessen besonderes Interesse den bunten, regulierbaren und die Architektur unterstützenden Lichtanlagen des Zuschauerraumes galt.
Am Nachmittag des 11. Juli 1928 wurde das Theater am Bülowplatz, die Berliner Volksbühne, besichtigt. Zweck des Besuches dort war, in erster Linie die Projektionen auf dem Rundhorizont anzusehen, welche in diesem Jahre neu ausgeführt und erstmalig benutzt wurden. Sie waren eine Neukonstruktion der Berliner Beleuchtungsfirma Willy Hagedorn. Bemerkenswert war dabei, daß, obgleich die Bühne unter Benutzung der Fußrampe(!) so hell erleuchtet wurde, daß die Darsteller in vollstem Licht standen, alle Projektionen scharf und deutlich blieben. Auch die Horizontbeleuchtung änderte nichts an der Klarheit der Projektion. Diese wurde von fünf Apparaten, mit je 40 Ampere belastbarer Bogenlampe, erzeugt. Da es schwierig war Projektionen, welche aus mehreren zusammengesetzten Bildern bestanden, an deren Rändern exakt anzupassen, hatte man seitens der Firma Hagedorn die einzelnen Geräte mit massiven Vierbeinstativen und Spindelfeinantrieben sowohl für die Vertikal- als auch für die Horizontaleinstellung ausgerüstet, so daß beide Richtungen in Bruchteilen von Millimetern verstellt werden konnten. Es wurde bei diesen Vorführungen daraufhin hingewiesen, dass es mit dieser Art Bühnenbildprojektion möglich sei, gemalte oder gebaute Dekorationen zu ersetzen und damit einen realen Einsparungseffekt für die Ausstattungskosten zu erzielen.
Soviel zu der 15. Bühnentechnischen Tagung. Eine wichtige Mitteilung erfolgte noch im Nachgang in der BTR. Es war die Bekanntgabe der bestehenden Prüfstellen für technische Bühnenvorstände, für Preussen bei den Polizeipräsidien in Berlin, Breslau, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Frankfurt a.M., Hannover, Kiel und Königsberg, für Bayern bei der Polizeidirektion München, für Sachsen in Dresden.
Unter der Überschrift: Neue Sicherheitsvorschriften für die Theater wies der Gruppenobmann Ludwig auf die seit 1909 bestehenden Bau- und Betriebsvorschriften für Theater hin, die als Musterverordnung seinerzeit erlassen und dementsprechend verwendet wurde. 1923 wurde sie einer Revision unterzogen. Diese unter Mithilfe der Berufsgruppe bearbeitete Änderung der Vorschrift, wurde 1924 den zuständigen Ministerien als Entwurf zugeleitet. Derselbe wurde dann von technischen Ministerialbeamten nochmals berarbeitet und erschien 1927 als Neudruck, der nunmehr allen Ansprüchen der Gegenwart (1928) genügte und als neue Polizeiverordnung für Bau und Betrieb von Theatern usw. im Verlag von Ernst & Sohn in Berlin zu beziehen war. Es berühre daher eigenartig, dass der Verband der gemeinnützigen Theater von in einem Anschreiben veralteten, nicht mehr zeitgemäßen Bestimmungen spricht und dem Polizeipräsidenten in Berlin Abänderungsvorschläge unterbreite, die zunächst nur für Berlin gelten sollten.
Die Berliner Sicherheitsvorschriften gingen aber in einzelnen Punkten über die ministerielle Musterverordnung hinaus, zum Beispiel was das Imprägnieren der Dekorationen betrifft. Die technischen Vorstände würden sich nicht gegen eine Änderung veralteter Bestimmungen wenden, setzten aber voraus, dass seitens der Theaterleitungen der Befolgung der Vorschriften keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt und die Verantwortung für deren Einhaltung ganz allein auf sie abgewälzt würde.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass der Berliner Polizeipräsident in einer amtlichen Bekanntmachung Richtlinien für photographische Aufnahmen bei künstlichem Licht in Theatern und Kinos mit Bühnendarbietungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit erließ. Das war hauptsächlich deswegen notwendig, weil es damals noch keine elektrischen Blitzlampen gab und die Photographen gezwungen waren mit Blitzlichtpulver, welches mit offener Flamme abbrannte, zu arbeiten.
Bedingt durch die allgemeine Wirtschaftslage wies die BTR auf eine Veröffentlichung im Neuen Weg hin, nach der die Einbeziehung der Bühnenangehörigen in den Bereich der Krisenvorsorge erfolge. Unter Bühnenmitgliedern im Sinne des Erlasses seien alle Theaterarbeitnehmer zu verstehen, die entweder unter § 1 Absatz 2 des Normalvertrages beziehungsweise die Tarifabkommen für die technischen Bühnenvorstände das Büropersonal und die Friseure (Maskenbildner) fallen.
Zum Schluß des Berichtsjahres findet man noch drei kurze Meldungen, deren Inhalt die technische Entwicklung im Berichtsjahr aufzeigten, einmal dass in Kürze auch in Deutschland ein regelmäßiger Bildfunk beginnt, der vom Deutschlandsender auf Welle 250 neben dem bisherigen Programmangebot verbreitet wird. Weiter, dass der englische Erfinder, C. F. Jenkins, vor kurzem einen neuen Apparat für drahtlose Filmübertragung vorgeführt hat, der bis zu 15 Bildern in der Sekunde wiedergeben konnte. Die Bilder ließen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Letztlich, dass im Potsdamer Schauspielhaus eine eigenartige Aufführung stattgefunden habe, bei der die Orchestermusik telefonisch aus der Berliner Hochschule für Musik durch Lautsprecher übertragen wurde. Der Leiter der Funkversuchsstelle der Musikhochschule, dirigierte von seinem Pult im Orchestergraben des Potsdamer Theaters aus, SpieI und Gesang. Der Hilfsdirigent übersetzte am Ferndirigierinstrument in Potsdam die optischen Zeichen des Dirigenten in akustische Signale, welche durch Telefonkabel nach Berlin in die Kopfhörer der dortigen Orchestermusiker übertragen wurden. Damit begann also das Funkkino.
Der Entwurf des deutschen Reichsbühnengesetzes sollte jetzt zur Vorlage kommen. Die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger war an die zuständige Behörde herangetreten, noch in dieser Reichstagssession aktiv zu werden. In dem Entwurf ist die Stellung eines Theaterinspektors vorgesehen, der amtliche Eigenschaft und die gleichen Rechte wie der Gewerbeinspektor genießen soll.
Theatergeschichte
Das Bamberger Stadttheater ist so baufällig, dass ein Theaterneubau dringend notwendig erscheint. Da die schlechte finanzielle Lage der Stadt ein derartiges Projekt nicht zulässt, suchen die Bamberger einen Mäzen.
Die Breslauer Stadtverwaltung beschäftigt sich mit den völlig ungenügenden Theaterverhältnissen in der Stadt. Der Bau einer neuen großen städtischen Bühne mit modernen technischen Einrichtungen wird erwogen, aber wegen der großen Kosten von 11 – 13 Millionen Mark einstweilen noch nicht in Angriff genommen. Vorläufig soll das gegenwärtige Opernhaus, renoviert werden. Der Stadt wird Ankauf und Renovierung des Lobetheaters als städtische Schauspielbühne empfohlen.
Die Gemeinde Oberammergau beschloss, die Passion im Jahre 1930 wieder aufzuführen. Der Holzbau des Theaters aus den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts entspricht nicht mehr den Anforderungen der Zeit und soll daher abgebrochen werden. An seine Stelle soll ein moderner Steinbau treten, der mit allen technischen Errungenschaften ausgestattet ist und wiederum Platz für 4500 Personen bietet.
Der Neubau des 1921 abgebrannten Landestheaters Neustrelitz wird am 2. Juni eröffnet. Der Bau ist von Professor Littmann – München im klassizistischen Stil errichtet worden. Der Innenraum fasst 500 Besucher. Die Bühnenbeleuchtungsanlagen lieferte die AEG – Berlin.
Das für die Bühnentechnik wichtigste Ereignis war die am Samstag, den 28. April 1928 erfolgte Wiedereröffnung der Berliner Staatsoper Unter den Linden nach 1 1/2 – jährigen Umbau des gesamten Bühnenhauses. Der unter der Leitung des zu jener Zeit dort tätigen Technischen Direktors Georg Linnebach erfolgte Umbau diente von da ab in seinen Grundlagen vielen namhaften Opernhäusern der Welt als Vorlage zur Umgestaltung ihrer eigenen Anlagen. Die Berichte in verschiedenen Heften der BTR des Jahrganges 1928 waren ausführlich. Trotz aller inzwischen eingetretenen Fortschritte vermitteln sie grundlegende Erkenntnisse, welche dem heutigen Veranstaltungstechniker noch manches Wissenswerte vermitteln können.
Die Städtischen Bühnen in Hannover erhalten ein neues Magazin- und Werkstattgebäude. Es ist 65 Meter lang, 15 Meter tief und etwa 16 Meter hoch. Im Erdgeschoss befindet sich die Schlosserei, im 1. Obergeschoss die Tischlerei, im 2. Obergeschoss der geräumige Malersaal, dessen Fußbodenheizung und Luftumwälzanlage hervorzuheben ist.
In Hamburg ist der Neubau der Kammerspiele geplant.
Rudolstadt in Thüringen plant eine öffentliche Geldlotterie, um den Neubau seines Theaters zu ermöglichen.
An der staatlichen Schule für angewandte Kunst in München (Kunstgewerbeschule) ist eine Klasse für Theaterkunst eingerichtet worden, welche die künstlerische und handwerkliche Ausbildung als Bühnenbildner und als Theatermaler zum Ziele hat. Leiter der Klasse ist Professor Dr. Emil Preetorius. Als Lehrer für Bühnentechnik, Ausstattung und Geschichte wirken außer Professor Adolf Linnebach, technischer Direktor der bayerischen Staatstheater, Professor Leo Pasetti, Ausstattungsdirektor der bayerischen Staatstheater und Professor Dr. Franz Rapp, Leiter des Theatermuseums in München mit.
Der Stadtrat von Ludwigshafen a. Rh genehmigte die Errichtung eines Theaterbaues.
Am 29. Januar sollte in Sonneberg Thr. das neu erbaute Stadttheater eröffnet werden. Kurz vor Beginn der Vorstellung brach infolge der Dekorationslast das zu schwach bemessene Gestänge des Schnürbodens zusammen und fiel auf die zum Glück leere Bühne! Daraufhin wurde die Eröffnung abgesagt. Eine Sonneberger Zeitung schreibt dazu: Wir hoffen, dass nun die Bauleitung einen Bühnenfachmann zu Rate zieht, damit uns eine nochmalige Enttäuschung dieser Art erspart bleibt.
Der Bau eines Revuetheaters in Verbindung mit einem 8-stöckigem Geschäftshaus, ist in Hamburg projektiert. Es wird das größte Theater diesen Stiles in Deutschland, ähnlich den amerikanischen Movie-Theatern. Der Zuschauerraum soll über 3000 Personen fassen. Die Bühneneinrichtung wird von Dipl.-Ing. W. Unruh, Technischer Direktor am Nationaltheater Mannheim, entworfen.
Der Oberbürgermeister von Hindenburg Oberschl. wirbt in einem Aufruf für die Gründung einer Gesellschaft der Theaterfreunde, die den Bau eines eigenen Theaters ideell und materiell vorbereiten soll.
In Libau in Lettland ist von der deutschen und jüdischen Bevölkerung eine Viertelmillion Goldmark für ein deutsches Theater aufgebracht worden. Das Theater soll in städtischen Besitz übergehen.
Professor Max Reinhardt hat Professor Oskar Strnad den Bau seines Schlosstheaters im Park des Schlosses Leopoldskron bei Salzburg übertragen. Das Theater ist für 200 Zuschauer geplant und soll sich der Gartenarchitektur einfügen.
In Leningrad wurde die durch den Krieg unterbrochene Bautätigkeit an dem großen Theater bei der Eremitage wieder aufgenommen. Es wird 4.000 Sitzplätze erhalten und damit das größte Theater Russlands sein. Die isländische Regierung plant den Bau eines Nationaltheaters. Ein neues Theater ist für Rotterdam vorgesehen. Es soll 1200 Personen fassen. Die Bühnenplanung mit vollständiger moderner Maschinerie und Beleuchtung soll das Theater sowohl für Oper, Operette und Revue als auch für Kinovorführungen verwendbar machen.
Die Riesenbetriebe des Wiener Burgtheaters und der Staatsoper sind für die beschränkten österreichischen Finanzen je länger um so mehr eine Last. Selbst die relativ hohe Staatshilfe genügt nicht mehr. Im Namen der Gemeinde Wien wird verkündet, dass diese bereit sei, die jetzigen Bundestheater, ganz zu übernehmen. Rund 40 Millionen betragen die Theatersubventionen der sogenannten gemeinnützigen Theater in Deutschland für das laufende Jahr. An der Spitze stehen die preussischen Staatstheater in Berlin, Wiesbaden und Kassel mit rund 7 Millionen Reichsmark. Den nächsthohen Bedarf haben die bayerischen Staatstheater mit rund 3,2 Millionen. Dann folgen Frankfurt mit 2,3 Millionen, Köln mit 2,24 Millionen, Hannover mit 1,9 Millionen, Stuttgart mit 1,6 Millionen, Mannheim mit 1,58 Millionen, Dresden mit voraussichtlich ebensoviel, Dortmund mit 1,25 Millionen Reichsmark. Das Theater mit dem kleinsten Bedarf ist die Coburger Landesbühne mit 450.000 Reichsmark.
Wie die BTR aus sicherer Quelle erfuhr, kann mit der Einrichtung einer Museumsabteilung für Bühnentechnik im Anschluss an ein bereits bestehendes Theatermuseum in allernächster Zeit gerechnet werden. Dadurch würde ein lang gehegter Wunsch endlich in Erfüllung gehen. Diese Museumsabteilung kam aber mangels Beteiligung der Kollegen leider nicht richtig in Gang und konnte nach anfänglicher Euphorie nicht weitergeführt werden.
Eine Weltausstellung des Lichtes bereitet die Lichtstadt Paris für dieses Jahr vor. Dort sollen neben den neuesten Errungenschaften der allgemeinen Lichttechnik, Theater und Kino mit ihren speziellen Lichteffekten eine Hauptrolle spielen.
In Heft 3/1928 der BTR wurde in einer extra Beilage für farbige Transparentcellonfilter an Stelle der üblichen Farbglasfilter geworben. Bis Mitte Juni waren insgesamt 8 verschiedene Farbnuancen hergestellt worden. Damit war der erste Schritt zu den heutigen Kunststoffarbfiltern getan, welche damals vor allen Dingen aus Sicherheitsgründen die Glasfarbscheiben ablösen sollten.
Die bei der Tagung 1922 begonnene Normenarbeit hatte 1928 erste positive Reaktionen. In Heft 4/1928 der BTR wurde ein ausführlicher Bericht über die Normung von Podestmaterial gegeben. Unter Beifügung verschiedener Abbildungen wird über die unterschiedlichen Podestformen, deren Zubehör, sowie Stufen und Treppen, welche alle dem Architektenmaß entsprachen (16 2/3, 33, 50 usw.) berichtet und begründet mit einem wichtigen Satz: In dieser Zeit der Kunstindustrie muss ein technischer Leiter seinen Betrieb umorganisieren, er muss erreichen, dass sein Betrieb rationell arbeitet. Ein Schritt auf diesem Wege sei eben die Normung des Aufbaumaterials, wodurch erhebliche Summen eingespart werden könnten.
Unter dem Titel: Das gefilmte Regiebild erschien in Nr. 5 der BTR ein interessanter Bericht, der das fotografische Festhalten einer Inszenierung auf Film behandelt, um bei der Übernahme einer Inszenierung oder Umbesetzungen das Original als Beispiel verwenden zu können. Bei der Dreigroschenoper wurden so zum ersten Mal längere Stellen des Werkes mit einer im Zuschauerraum aufgestellten Filmkamera aufgenommen, um stets die gleiche Einstellung (Totale) zu haben. Eindringlicher, als es durch Regieanweisungen und schriftliche Festlegungen möglich war, konnte die Filmfolge den Darstellungsstil veranschaulichen und ihn somit besser erfassbar machen. Mit dem Film als Regiedokument oder als Aufführungsarchiv war ein neuer Weg gewiesen.
Zu dem Thema von Opernübertragungen per Telefon und Rundfunk gab es im letzten Heft des Jahrganges der BTR unter Technische Neuheiten eine Meldung über das Theatraphon. Diese neue Einrichtung beruht auf der Verbindung des transatlantischen Telefondienstes über London mit den Theatern in Paris und ist die letzte Schöpfung des französischen Telefonmonopols. Fast alle großen Pariser Theater haben die Erlaubnis gegeben, ihre Vorstellungen auf telefonischem Wege mit der ganzen Welt zu verbreiten. Man ruft das Theatraphon an und gibt an, welches Stück man am Abend hören will; zur Stunde, da im Theater der Vorhang sich hebt, klingelt das Telefon und die Vorstellung beginnt auch im Heim des Privatkunden.
Das Umfeld
Am 2. November erfolgte nach langen Jahren der Ruhe ein schwerer Ausbruch des beinahe erloschenen Vulkans Aetna auf Sizilien. Mit ungeheurerer Kraft schoss aus seiner durch Schnee vereisten Spitze ein sich im Umkreis mehrerer hundert Kilometer auswirkender Ascheregen und ein riesiger glühender Lavastrom ergoss sich über seine Hänge ins Tal.
Noch war die Ernährung der städtischen Bevölkerung in der Sowjetunion mangelhaft. Die Bauern forderten höhere Preise, andernfalls wollten sie nichts mehr in die Stadt liefern. Das veranlasste Stalin, die Kollektivierung der Landwirtschaft einzuführen. Großbauern, Kulaken genannt, erschienen ihm als eine gefährliche gegenrevolutionäre Klasse. Also wurden sie enteignet und entweder umgebracht oder mit ihren Familien nach Sibirien verbannt. Das enteignete Land wurde in Kolchosen zusammengefasst, auch mittlere Bauernanwesen wurde nicht verschont.
Tshiang Kai-sheck, der 1925 Nachfolger von Sun Yat-sen geworden war, wollte China gewaltsam unter die Herrschaft der Kuomintang bringen. Er nahm die Hauptstadt Peking ein und wurde zum Ministerpräsidenten der Republik China ernannt. Sehr bald jedoch glich sein Regime einer Militärdiktatur, welche die Bodenreform rückgängig machte, die freie Presse und Meinungsfreiheit unterband, sowie die bestehenden Gewerkschaften unterdrückte.
Einen völkerrechtlichen Vertrag, dem nach dem Außenminister der USA benannten KelloggPakt, in dem der Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Streitfälle verurteilt wurde, traten 63 Staaten der Erde bei.
Am 20.Mai etablierte sich der 4. Reichstag. Es bildete sich abermals eine große Koalition aus SPD, Zentrum, Demokraten und der Deutschen Volkspartei. Die SPD stellte mit Hermann Müller den Reichskanzler. Custav Stresemann blieb Außenminister. Seine erfolgreiche Außenpolitik trug dazu bei, dass Deutschland international wieder als vertrauenswürdig angesehen wurde.
Künste und Wissenschaften erlebten in diesen Jahren der Weimarer Republik eine regelrechte Blütezeit. Zahlreiche Nobelpreise gingen an deutsche Wissenschaftler. Musik und Theater machten deutsche Künstler international bekannt. Paul Hindemith, Bruno Walter, Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer und Erich Kleiber machten die Berliner Staatsoper und die Berliner Philharmoniker weltberühmt. Die Drei-Groschen-Oper von Brecht/Weill wurde uraufgeführt. Schriftsteller wie Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky kämpften in ihren Werken gegen militaristische und antidemokratische Tendenzen der bürgerlichen Gesellschaft, sowie den aufkommenden Nationalsozialismus. Erich Maria Remarque brachte sein Buch: Im Westen nichts Neues heraus.
Die Entwicklung des Filmes war in den seit Kriegsende vergangenen Jahren rasant fortgeschritten. Eine große Zahl von Physikern und Technikern verschiedenster Nationen beschäftigte sich mit dem Problem der Vertonung des bis dahin stummen Filmes. Ende 1922 erfolgte die erste überraschende Vorführung des Triergon und als das amerikanische System Vitaphone im August 1926 herauskam, war der Tonfilm ein höchst aktuelles Problem. In allen Patentämtern der Welt wurden neue Patente angemeldet.
Es gab 1928 zwei zur Serienreife entwickelte Systeme zur Umwandlung von elektrischer Energie in Licht. Das mit einer Ultrafrequenzlampe arbeitende und das sogenannte Spiegelgalvanoskop. Das so erzeugte Licht wurde mit einer so feinen Brennlinie auf dem Film abgebildet, dass auch ein Ton mit 15.000 Hertz, welcher in der Aufzeichnungsrichtung des Filmes eine Ausdehnung von 0,025mm hat, noch zur Geltung kam. Das Prinzip wurde durch trägheitslose Photozellen verbessert, um die schnellen Lichtwechsel besser beherrschen zu können. Ungefähr fünf Systeme überlebten den ersten Boom. Doch auch sie hatten nur beschränkte Lebensdauer, weil es wegen der Internationalität des Filmes sehr bald Bestrebungen gab, die eine Normierung des besten Tonfilmsystems durchsetzten, welches sich bis heute behaupten konnte.
Überall in den Städten entstanden neue Kinopaläste mit erheblichen Sitzplatzkapazitäten. Trotzdem war das Geschrei von der Ausrottung des Theaters durch den Tonfilm maßlos übertrieben. Auch in Zukunft würde man das unmittelbare Erlebnis des Theaters gegenüber dem Tonfilm nicht einfach entbehren können. In Deutschland wurden, besonders in Berlin, die Probleme des Tonfilms sehr leidenschaftlich erörtert. In Berlin bildete sich die Tobis; in Neubabelsberg, in den Tonfilmateliers der UFA standen den Regisseuren bedeutende Architekten, Bühnenbildner, Beleuchtungs- und Bühnentechniker, sowie Filmoperateure zur Seite.
Ein drittes Medium tauchte ebenfalls in diesem Jahr mit ernstzunehmenden Versuchen auf: das Fernsehen = Television. Im Gegensatz zum Film, bei dem zeitversetzt aufgenommene bewegte Bilder an jeder x-beliebigen Stelle wiedergeben werden, wurden bewegte Bilder gefordert, die zur gleichen Zeit, in der sie entstanden, in beliebiger Entfernung zeitgleich wiedergegeben werden konnten. Auf der V. Internationalen Funkausstellung in den Berliner Messehallen, wurden die damals besten Fortschritte dieses neuen Mediums in drei verschiedenen Versionen zur Schau gestellt.
BTR Ausgaben 1928
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