1931

Der Fachverband

Im ersten Heft des Jahrganges 1931 der BTR findet man positive Stellungnahmen von Regisseuren, Bühnenbildner und eines Branddirektors zu dem Ende 1930 erschienenen Hilfsbuch der Bühnentechnik, Band 1 – Bühnenbeleuchtung. Der zweifellose Erfolg des Buches veranlasste Hansing und Unruh den zweiten Band für die bühnentechnischen Einrichtungen schnellstens fertigzustellen. So wurde bereits in Heft 2 auf dessen Erscheinen hingewiesen.

Eine Entscheidung der Berufsgruppenleitung wurde im gleichen Heft veröffentlicht: 

Auf der am 22. April abgehaltenen Gruppenvorstandssitzung wurde beschlossen, in Anbetracht der schwierigen allgemeinen Wirtschaftslage, die Tagung in diesem Jahre ausfallen zu lassen. Deren vorgesehenen Verhandlungsstoff soll jedoch in den nächsten Nummern der Bühnentechnischen Rundschau ausführlich abgedruckt werden. 

Im Folgenden wurden alle Titelüberschriften der Beiträge und die dazugehörigen Heftnummern der BTR genannt: In Heft 1: Eine transportable, zerlegbare Drehscheibe im technischen Bühnenbetrieb, von Julius Richter – Darmstadt. – Eine wichtige Glühlampe, die Natriumdampflampe mit 80% Lichtausbeute. – In Heft 2: Großlautsprecher- und Verstärkeranlagen im Theater. In diesem Aufsatz wurde eine von Siemens & Halske – Berlin im Frankfurter Opernhaus für die Oper Maschinist Hopkins ausgeführte Großlautsprecheranlage beschrieben. – In Heft 3: Rauchklappen – Automat für Theater, von Projahn & Huhn. Ein von der Märkischen Maschinenfabrik entwickelter Rauchklappenautomat wurde vorgestellt, der diese bei einem Überdruck von 35kg/qm selbsttätig šöffnete. Eine Einrichtung, welche aufgrund ihres Erfolges von da ab überall in den Theatern eingebaut wurde. In Heft 4: Beachtenswerte Gesichtspunkte bei der Planung einer Musikübertragungsanlage von Dr. Schad. – Auswertung der Großen Deutschen Funkausstellung und Phonoschau für die SchallplattenüŸbertragung; Kontrolle der Schallplatten – †Übertragung und Selbstaufnahme von Bühnenmusik. Diese letzten drei AufsŠätze beschreiben nicht nur die allseits bekannten Technologien, sondern erläutern die Ursprünge der seit damals angewandten Tontechnik in Theatern. – In Heft 5: wird das von Nicola Sabbatini 1639 erschienene Handbuch: Anleitung Dekorationen und Theatermaschinen herzustellen ausführlich beschrieben und die vom einzigen Original dieses Buches im Münchener Theatermuseum erstellte deutsche Übersetzung, im Auftrag der Bibliophilen Gesellschaft zu Weimar vorgestellt.

In Heft 6 wird mitgeteilt, dass die wirtschaftliche Notlage dazu zwinge, die Bühnentechnische Rundschau im Jahre 1932 nur viermal erscheinen zu lassen. An weiteren die Berufsgruppe betreffenden Meldungen gibt es nur einige aufzulisten: Eine Neufassung des bayerischen Gesetzverordnungsblattes für die Prüfung technischer Bühnenvorstände erhielt u. a. eine überarbeitete Anweisung für die Benutzung von Motorrädern und Kraftwagen in Theatern auf der Bühne. – Eine neue Berliner Polizeiverordnung regelte das Halten und Parken von Kraftfahrzeugen usw. vor Theatern und anderen Versammlungsstätten in Berlin.

Personalien

Eine Nachricht in Heft 5 informierte darüber, dass der Geheime Hofrat Professor Max Littmann, bekannter Theaterarchitekt im 70. Lebensjahr verstorben war. Sein Ruf war im deutschen und internationalen Theaterbau bekannt. Den Mitgliedern der Berufsgruppe war er fachlich eng verbunden und berücksichtigte in seinen Planungen deren Ratschläge und Anregungen für bühnentechnische Installationen. Ein besonders intensiv behandelter Bereich in seinen Theatergebäuden war das Proszenium als †Übergang vom Zuschauerraum zur Bühne und dessen wechselseitige Nutzung. Auch die später immer šöfter geforderten und auch ausgeführten Einraumtheater oder Arenatheater gingen in vielen Details auf seine damaligen Anregungen zurück.

Theatergeschichte

Ab 1931 wurden viele Bühnen geschlossen, unter anderen in Berlin die Krolloper und das Schillertheater. Außerdem wurde Ende 1931 definitiv die Schließung der Staatstheater in Kassel und Wiesbaden zum Herbst 1932 beschlossen.

1931/32 hatten nur noch 49% der an Bühnen Beschäftigten Ganzjahresverträge. Die Arbeitslosenversicherung geriet durch die Wirtschaftskrise und den sprunghaften Anstieg der Erwerbslosigkeit in ernste Zahlungsschwierigkeiten. Die wichtigsten staatlichen Eingriffe in das šöffentliche Kulturleben waren: Die Notverordnung vom 5. Juni: Gagenreduzierungen um 4 bis 8%; Kürzung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialverischerungsleistungen um 7 bis 14%; Aufhebung der Lohnsteuerrückerstattung; Einführung einer Krisensteuer; Preissenkungen, aber auch Gagenabbau um 10 bis 15% (an einigen Staatstheatern bis zu 20%).

Die im Jahre 1928 vorgenommene Zusammenlegung der beiden Städte Mšönchengladbach und Rheydt unter dem Namen Gladbach-Rheydt hat auch die beiden Bühnen: Stadttheater Mönchengladbach und das in Form einer GmbH. städtisch subventionierte Rheydter Schauspielhaus zu einem neuen Ganzen verschmolzen, dem nunmehrigen Stadttheater Gladbach-Rheydt. Der Zuschauerraum des neuen Theaters fasste 650 Sitzplätze in Parkett und einem Rang. Die Bühne wurde mit kompletter moderner Bühnenmaschinerie und Bühnenbeleuchtung ausgestattet. Besonders hervorzuheben waren eine den ganzen Bau durchziehende Lautsprecheranlage für Durchsagen und andere tontechnische Notwendigkeiten, sowie Einrichtung von sogenannten SchwerhšörigenpläŠtzen an ausgewählten Stellen im Zuschauerraum.

Der bekannte Architekt Heinrich Mendelsohn projektiert ein neues Theater in Berlin am Reichskanzlerplatz. Das Theater, welches Anfang nächster Spielzeit bereits eršöffnet werden soll, wird 1.200 Plätze umfassen.

FüŸr das Neubauprojekt der Hamburger Kammerspiele, das nun auch finanziell gesichert scheint, wurde jetzt der gemeinsame Entwurf der Architekten Prof. Karl Schneider und Dr. Block zur Ausführung bestimmt. Als bühnentechnischer Sachverständiger für den Neubau wurde Max Hasait – Dresden ernannt.

Um durch Vorstellungen in zwei Häusern die Einnahmen und das Interesse des Publikums zu steigern, wird die Verwaltung des Stadttheaters in Aachen den großen Saal des Konzerthauses durch Einbau einer Bühne und einer entsprechenden Beleuchtungsanlage spielfähig machen. In dieser Spielstätte sollen vorwiegend heitere Werke zur Aufführung kommen.

Kurz nachdem das Hessische Landestheater in Darmstadt von der Firma Siemens & Halske eine neue automatische Feuerschutzanlage erhalten hatte, welche alle Störungen durch direkte Meldung nach der Berufsfeuerwache leitete, konnte sie eine Bewährungsprobe bestehen. Ein in einem Verschlag ausgebrochenes Feuer konnte bereits durch die nach drei Minuten am Brandort eingetroffene Feuerwehr gelöscht werden. Ein Wärmemelder hatte angesprochen und den Alarm ausgelöst.

An den Berliner Staatstheatern habe man für das nächste Jahr nicht die Absicht, seine ersten Bühnenbildner wieder mit festen Verträgen zu verpflichten. Theo Otto soll der einzig fest engagierte Bühnenbildner sein. Pirchan, Cliese und Neher sollen, wie schon im letzten Jahr, nur noch Werkverträge erhalten.

Eine satirische Meldung berichtete von einer Aufführung im Staatstheater in Berlin: „Der Vorhang zum 5. Bild ging auf. Der Park von Sanssouci war zu sehen. Eine große Taxushecke fiel mit großem Knall um. In diesem Augenblick betrat Franck die Bühne mit den Worten: Ich hätte Sanssouci früher sehen müssen. Brausendes Gelächter aus dem Publikum. Inzwischen erschien Hans Otto und sprach den Anfang seines Auftritts: Diese Gärten macht uns niemand nach. Abermals schallendes Gelächter. – Der Vorhang fällt. Das 5. Bild begann von neuem.

Durch die allgemeine Wirtschaftslage veranlaßt, wurden in vielen Theatern Deutschlands extreme Sparmaßnahmen eingeleitet.

In Heft 5 der BTR wird berichtet, dass für Maschineriedirektor R. Klein, welcher die technische Oberleitung der staatlichen Theater (Staatsoper, Krolloper, Staatsschauspiel) in Berlin Ÿübernommen hat, Dipl.-Ing. Kurt Hemmerling an die Städtische Oper in Berlin-Charlottenburg als Technischer Direktor berufen wurde. Mit dem Engagement von K. Hemmerling an die Charlottenburger StäŠdtische Oper rüŸckte ein später weltweit bekannt gewordener deutscher Bühnentechniker in den Brennpunkt der Öffentlichkeit.

In einer anderen Notiz dieses Heftes liest man, dass es zwei neue Firmen der Bühnenbeleuchtungsbranche gab. Die Herren Oberingenieure Reiche und Vogel, der Firma Schwabe & Co. – Berlin, haben sich nach deren Auflösung, zu dem neuen Unternehmen Reiche & Vogel, Leuchtkunst GmbH – Berlin, zusammengetan. – Gleichzeitig wurde in diesem Heft auf die Stuttgarter Firma Emil Niethammer verwiesen, welche bereits seit Jahren am Markt war, aber sich auf den engeren Raum in Württemberg beschränkt hatte und hauptsächlich Beleuchtungsanlagen in Sprech- und Lichtspieltheatern errichtete, wobei der Schwerpunkt auf Notbeleuchtungs- sowie Sicherheitsbeleuchtungsanlagen und deren Stromversorgung lag.

Aime Clariond, ein Mitglied des Pariser Odeontheaters, hat die Leitung eines Wandertheaters Ÿübernommen, dessen Bühne aus Duraluminium hergestellt wurde. Zwölf Bühnenarbeiter genügten, diese in vier Stunden aufzubauen und in gleicher Zeit wieder abzubrechen, sowie auf Lastautos abzutransportieren. Die Ausstattung schließt eine Drehbühne und die modernsten Beleuchtungseinrichtungen ein.

Deutsche Bühnenbildkunst für Südamerika. Dem Intendanten der Kölner Oper wurde die Reorganisation des größten Theaters Colon in Buenos-Aires (Argentinien) Ÿübertragen. Aus Anlass eines deutschen Gastspiels wurde dort von der AEG – Berlin eine umfangreiche Horizontbeleuchtungsanlage (mit Fortuny-GerŠten ) eingebaut. Ferner gelangten für eine Reihe von Opern Lichtbildprojektionen zur Anwendung. Leiter des Gastspiels war der Technische Direktor der Volksbühne Berlin, Hans Sachs. †Über den Wettbewerb für das Ukrainische Staatstheater in Charkow berichtete die Bühnentechnische Rundschau in Heft 4 in einem längeren Aufsatz u. a.: unter den 144 Entwürfen wurde Professor Gropius – Berlin der VIII. Preis zuerkannt. Er Šäußerte sich zur Technik seines Projektes folgendermaßen: 

Die Bühne ist wie ein industrieller Montagesaal oder ein Rangierbahnhof ausgelegt mit Verschiebe- und Bewegungsmöglichkeiten in jeder Richtung. Die Einheitsbühnenwagen von je 25 qm Fläche lassen sich paternosterartig im Zusammenhang mit dem Keller heben, senken und verschieben. Die zentrale Drehscheibe ist von einem Drehring umgeben; die ganze Scheibe und die einzelnen Einheiten lassen sich heben und senken. Die Magazine schliessen derartig an die südliche Bühnenseite an, dass alle Teile mit Laufkatzen und Schienen ohne Umladung auf die Bühne gefahren werden können. Alle mechanischen Einrichtungen werden von einem zentralen Kommandostand mit zentraler Klaviatur aus bedient. FüŸr Film und Projektion wurde ein System von Projektionsapparaten eingebaut, das es ermöglicht, nicht nur den gesamten Bühnenraum hinter dem Eisernen Vorhang, sondern auch Decken und seitliche Wandflächen des ganzen Zuschauerhauses mit Projektionen beziehungsweise Filmen zu überfluten.

Nach einer Meldung aus London ist in Hollywood eine Erfindung gemacht worden, die von Fachleuten als die revolutionäŠrste seit der Erfindung des Films Ÿüberhaupt bezeichnet wurde. Während bisher der Film sich auf zwei Dimensionen beschränkt, ermögliche die neue Erfindung die Projektion in allen drei Dimensionen, also auch in der Tiefe. Die plastischen, sich im Raum bewegenden Filmgestalten wirken wie lebendige Menschen. Wie aus Nantes in Frankreich gemeldet wurde, fiel das dortige Apollotheater einem Großfeuer zum Opfer. Trotz großer Anstrengungen der Feuerwehren brach bereits kurz nach deren Eintreffen am Brandort die Decke des Theaters ein und vereitelte weitere Lšöschversuche. 

Die Staatsoper in Kowno, Litauen, ist größtenteils abgebrannt. Trotz sofortigen Eingreifens der Feuerwehren brannte die BüŸhne völlig aus, während der Zuschauerraum gerettet werden konnte.

Das Städtische Theater in Bologna wurde im November von einem schweren Feuer heimgesucht. Es gelang der Feuerwehr den prachtvollen Zuschauerraum zu retten. Dagegen ist der hintere Teil des Theaters mit der Bühne vollständig ausgebrannt und zerstört. Der Eiserne Vorhang wurde von der Glut so erhitzt, dass er krachend in das Orchester und in den Zuschauerraum stürzte.

Das Umfeld

Spanien wird Republik, nachdem Sozialisten und Republikaner die Kommunalwahlen gewannen. Der König verließ das Land, damit war die Monarchie beendet. Die Gruppen der Rechten, darunter die faschistische Falange Espanpla, schlossen sich zusammen. Auf der anderen Seite bildete sich eine Volksfront, die späŠter bei Wahlen 67% der Sitze im Parlament erhielt. Die Rechte sah in der neuen Regierung eine Wegbereiterin der Diktatur des Proletariats und forderte den Einsatz der Armee zur Herstellung der Ordnung. Dagegen forderten radikale Linke die proletarische Revolution. Beide Seiten bekämpften sich mit Gewalttaten und politischen Morden.

In Deutschland und in ganz Europa war der Zusammenbruch von Großbanken der österreichischen Kreditanstalt im Mai und späŠter der DarmstäŠdter- und Natinalbank, ein deutliches Zeichen fŸür die wirtschaftliche Krise. Reichskanzler BrüŸning erkläŠrte, dass Deutschland die fŠällige Reparationsrate nicht zahlen kšönne. Wenn aber Deutschland nicht zahlte, konnten England und Frankreich ihre Kriegsschulden bei den USA nicht abzahlen. Der amerikanische PräŠsident Hoover schlug vor, alle internationalen Kriegsschuldenzahlungen fŸür ein Jahr auszusetzen.

Im Oktober organisiert Alfred Hugenberg eine Massenkundgebung von DNVP, NSDAP, Stahlhelm und Alldeutschem Verband in Bad Harzburg. Die Harzburger Front betrieb – zunäŠchst noch vergeblich – den Sturz BrüŸnings und damit der Republik.

Als Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise betrug die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu Beginn des Jahres ca. 4,9 Millionen und am Ende knapp Ÿüber 5 Millionen. 

Der Schriftsteller Carl von Ossietzky käŠmpfte in seinen literarischen Werken gegen die sich anbahnenden antidemokratischen Strukturen der Weimarer Republik und gegen den immer stärker werdenden Nationalsozialismus. In einem Prozess wird er des Landesverrates füŸr schuldig erkläŠrt und zu mehrjäŠhriger Kerkerhaft verurteilt.

In New York wird das Empire-State-Building errichtet und der
Öffentlichkeit üŸbergeben. Es galt bis 1973 als der hšöchste Wolkenkratzer der Welt und beeinflusste mit seiner Bauart alle späŠter erstellten GebäŠude dieser Art.

Eine zweite Meldung betraf den Schweizer Physiker Professor Piccard. Ihm gelang es mit einem Spezialballon und daran häŠngender atmosphäŠrisch abgedichteter Kugel (Labor) in 15.781 Meter Hšöhe, in die StratosphäŠre, vorzudringen und dort wissenschaftliche Untersuchungen durchzufŸühren.

Auch dieses Berichtsjahr stand, trotz aller positiven Meldungen aus dem Fachbereich, unter den sich verschŠärfenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die nicht nur Deutschland sondern die ganze Welt betrafen.


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