1933

Der Fachverband

Das Heft 1 der BTR ließ noch keine €Änderungen im Bezug auf Aufmachung oder Inhalt erkennen. Hansing war nach wie vor Schriftleiter in Stuttgart. Sowohl er selbst, als auch K. Hemmerling – Städtische Oper Berlin und A. Weil- Darmstadt, brachten in diesem ersten Heft des Jahres ausführliche Berichte und Artikel Ÿüber die praktische Anwendung der Bühnenbildprojektion. – Außerdem berichtete W. Unruh Ÿüber den von ihm durchgeführten Umbau des Frankfurter Schumanntheaters, wo es galt aus einer Zirkusmanege das Parkett eines Achsialtheaters zu gestalten. Auch das Heft 2 zeigte keine Veränderungen. In einer besonderen Anzeige wurde auf die Tagung verwiesen, welche in Bayreuth für die Zeit vom 9. bis 11. Juli anberaumt worden war. In einer knappen Notiz wurde Ÿüber die Bayreuther Festspielvorbereitungen berichtet.Im Januar 1933 war es der GDBA und dem deutschen Bühnenverein gelungen, Einigkeit Ÿüber die Verlängerung des Normalvertrages Solo zu erzielen. Das Vertragswerk insgesamt wurde kaum verändert; nur die Nebenbeschäftigungen bei Film und Rundfunk, sowie die Prüfungspflicht für Anfänger wurden überarbeitet und zum Teil neu ergänzt. Das GDBA-Präsidium wartete zunächst einmal die weitere politische Entwicklung ab. Der einsetzenden Drangsalierung und Vertreibung jüdischer und politisch links stehender Schauspieler sah es ebenso tatenlos zu wie der Auswechslung aller mißliebigen Intendanten und Theaterdezernenten. Die erste von der GDBA mitbetriebene Einrichtung, welche den Druck der Nazis zu spüren bekam, war der Paritätische Stellennachweis. Anfang März drangen SA-Leute in die Agentur ein und entließen eigenmächtig die jüdischen und ausländischen Verwaltungsangestellten. 

Der Hauptschlag gegen die GDBA wurde jedoch einige Wochen später geführt. Am 1. April erschien in der Nr. 5 des Neuen Weg folgende Erklärung:

Die Präsidenten Wallauer und Otto werden mit Wirkung vom 1. April 1933 auf ihren Wunsch vom Verwaltungsrat beurlaubt. Als Ersatz für die bereits ausgeschiedenen Verwaltungsratsmitglieder Grete Jim und Emil Lind sind die Herren Otto Laubinger und Benno von Arent in den Verwaltungsrat eingetreten. Die Führung Ÿübernimmt bis zur endgültigen Regelung Otto Laubinger.

Mit dieser Absetzung hörte die GDBA auf, als demokratische Gewerkschaftsorganisation zu existieren. Am 5. April gab der nun gleichgeschaltete Verwaltungsrat bekannt: 

Die unterzeichneten Verwaltungsratsmitglieder der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen erklären, dass sie hinter den Führern der nationalen Regierung stehen. Sie gliedern sich bewußt und überzeugt in die nationale Bewegung ein und stellen sich und die Organisation für den Aufbau eines neuen deutschen Theaters zur Verfügung. gez.: Otto Laubinger, Benno von Arent, Erich Otto, Eduard von Winterstein, Wilhelm Heinrich Holtz, John GlŠser, Friedrich Ulmer, Ernst Pils.

Am 5. April trat die GDBA aus dem AfA-Bund aus. Am 2. Mai wurde das Genossenschaftshaus in der Keithstraße Berlins durch die SA besetzt und die bereits abgesetzten Präsidenten Wallauer und Otto verhaftet. Dass diese Veränderungen im Vorstand der GDBA nicht ohne Folgen für die ihr angeschlossenen Berufsgruppen blieben, bedarf wohl keiner ausdrücklichen Erklärung. Da alle Mitglieder der ehemals freien Gewerkschaften in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zwangsorganisiert wurden, gelang es Goebbels in Zusammenarbeit mit Laubinger gegen den Šäußerst harten Widerstand der DAF, dass nicht nur die GDBA, sondern auch der DBV, der Chorsänger- und Tänzerbund, die Vereinigung der Bühnenvorstände (Intendantengruppe) etc. zunächst weder aufgelöst noch zwangsweise in die Arbeitsfront eingegliedert wurden. 

Goebbels wollte das Theaterwesen so umfassend wie nur möglich in seinen Machtbereich eingliedern und sich der Arbeitnehmer der Bühnen versichern. Die Erhaltung der GDBA ließ dazumal keine Unruhe an den Theatern aufkommen. 

Mit der Einbeziehung von GDBA, DBV, Chorsänger- und Tänzerverband etc. in die eilig errichtete Reichstheaterkammer (RThK) hatte Goebbels das Gesamtprojekt Reichskulturkammer (RKK) entscheidend in Gang gebracht. Der Effekt war erreicht: Zusammenfassung, Kontrolle und Leitung des gesamten deutschen Kulturbetriebes.

Der neue GDBA-Präsident Laubinger übernahm zusätzlich zur der schon von ihm wahrgenommenen Leitung der Abteilung (4) Theater im Propagandaministerium, auch noch das Amt des Präsidenten der Reichstheaterkammer. Die GDBA-Mitglieder wurden durch Rundschreiben von deren Gründung unterrichtet. Jeder Bühnenangehörige musste Mitglied der Theaterkammer sein, wenn er seinen Beruf ausüben wollte. Für die führenden und international tätigen technischen Bühnenvorstände zeigten sich erstmalig die Nachteile des seinerzeitigen Anschlusses des freien Verbandes an die gewerkschaftlich ausgerichtete GDBA. Sie hatten immerhin den Vorteil, dass sie unter dem Dach der GDBA eine vom neuen Regime anerkannte Arbeitsgruppe waren und weiter arbeiten konnten. 

Da auch die Bühnentechnische Rundschau in ihrer bisherigen Erscheinungsform zunächst weiterbestehen konnte und keiner direkten Zensur unterlag, war die Schriftleitung in der Lage das Gesamtbild dieser Fachzeitschrift zu erhalten.

Das Heft 3 der BTR, welches vor der in Bayreuth vorgesehenen Tagung erschien, enthielt mehrere ausführliche Artikel Ÿüber Bayreuther-Festspielthemen. Über den Bühnenbildner Rochus Cliese gab es eine längere Abhandlung über eine Ausstellung im Theatermuseum München. Ein weiterer Artikel befasste sich mit den durch bewegte Lichtbilder, gemeint waren Projektionen mit 1 Meter langen und ca. 18 cm breiten „Endlosfilmen“, zu ersetzenden Wandelpanoramen, welche einen nicht so hohen technischen Aufwand erforderten. Eine technische Neuerung wurde beschrieben und angeboten, das war das von der Firma KALLE in Wiesbaden hergestellte Draht-Hornglas mit dem Namen BICELLA, welches bis nach dem zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Kaschier- und Dekorationsbaumaterialien gehörte.

Das nach der 19. Bühnentechnischen Tagung erschienene Heft 4 enthielt den Tagungsbericht, der von einem bis dahin nicht šöffentlich in Erscheinung getretenen Torsten Hecht verfasst worden war. Ein Abschnitt daraus soll im Original wiedergegeben werden, weil darin die Zeichen der Zeit am besten zu erkennen sind.

Es dürfte wohl kaum je eine Tagung der Bühnentechnischen Vorstände so deutlich die Bestrebungen unserer Vereinigung und damit gleichzeitig unsere zentrale Stellung innerhalb des deutschen Theaterlebens aufgezeigt haben, wie dies während der Bayreuther Tagung zum Ausdruck gebracht wurde. … Hatte die Vereinigung der technischen BühnenvorstŠände sich bis jetzt bewusst nur reiner Fachfragen angenommen, so musste sie in diesem Jahre des Rückblicks und gleichzeitigen Aufbaus der Nation das Augenmerk auf den großen Aufgabenkreis des deutschen Nationaltheaters richten.

Drei Vorträge beschäftigten sich mit diesem Problem, der Vortrag von Unruh Ÿüber: Die Aufgaben der technischen Bühnenvorstände beim Neuaufbau des Theaterwesens, der Vortrag des Präsidenten der GDBA Laubinger, Ÿüber: Die organisatorisch gesetzgeberische Arbeit am deutschen Theater und schließlich der Vortrag von Torsten Hecht Ÿüber: RaumbŸühnen und Lichtplastik, wobei diesem Problem die sittlichen Grundlagen der staatlichen Umwälzung vorangestellt wurden. Die Vorträge von Unruh und Laubinger behandelten die geistigen und ethischen Neuerungen, die, durch die staatliche Umstellung bedingt, sich am Theater auswirken werden. Unruh’s Vortrag enthielt unter anderem: Forderung nach einer Theatergewerbeaufsicht, nach einheitlichen Unfallverhütungsvorschriften, nach staatlicher Vereinheitlichung der Vorschriften für Bau und Betrieb von Theatern. Hier setze die Arbeit ein, welche die Bühnentechniker innerhalb des neu zu schaffenden Reichstheatergesetzes zu leisten haben; hier setze auch die Arbeit ein, die sich auf die Ausbildung des Nachwuchses erstreckt. Der malerische Nachwuchs der angehenden Bühnenbildner oder Theatermaler, hervorgegangen aus den Kunstakademien, sowie der angehende Bühnentechniker, vom staatlichen Technikum her kommend, sollten in einer gewissen Periode ihrer Ausbildungszeit gemeinsam nach einheitlichen Gesichtspunkten herangebildet werden, und zwar derart, dass der Bühnenmaler in die Welt des Technikers, der Techniker aber in die Welt der Farbe, in die Welt der formalen Gestaltung Einblick erhalten. 

Mit diesen Ausführungen hatte Unruh ein Thema angeschnitten, welches von da ab in der Arbeit der Berufsgruppe, beziehungsweise des späteren Verbandes immer wiederkehrte.

Im letzten Teil der Tagung wurden von P. Eberhardt – Bayreuth entwickelte und durch die Firma Reiche & Vogel – Berlin gebaute KompaktprojektionsgeräŠte für Endlosfilme vorgeführt. Die Firma W. Hagedorn – Berlin demonstrierte auf sogenanntem Kathedralglas beruhende Projektionsscheiben, außerdem führte diese Firma noch Projektionseinrichtungen vor, bei denen die Schattenzone zwischen Darstellerraum und Projektionsebene auf ein Minimum reduziert werden konnte. 

Die Firma Kalle – Wiesbaden führte das bereits in der BTR 3 beschriebene Bicella-Fabrikat vor. In einer nicht šöffentlichen Sitzung der Berufsgruppe wurden – wie stets – die Prüfungsfragen behandelt. Der Obmann wurde beauftragt dem Präsidenten der GDBA einen Bericht über die Handhabung und Unzulänglichkeit der Prüfungsordnung zu Ÿüberreichen und Anregungen Ÿüber Verbesserungen und Verschärfungen der Prüfungsordnung vor Verabschiedung des in Vorbereitung befindlichen Theatergesetzes zu unterbreiten.

Der bisherige Berufsgruppenvorstand sollte bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung die Geschäfte wie bisher weiterführen. Ein besonderer Dank wurde dem Kollegen Hansing für seine Arbeit in der Schriftleitung der BTR ausgesprochen. Zu seiner Unterstützung erklärten sich die Herren Linnebach, Hemmerling und Unruh bereit. Sie wurden durch die Versammlung beauftragt, die Interessen der Berufsgruppe zu wahren.

Weiter wurde die Frage der Normung in der Theatertechnik behandelt. Es sei ein zum Beispiel unhaltbarer Zustand, dass jede Firma der Beleuchtungsindustrie ihre Geräte mit verschiedenartigen Steckvorrichtungen, unterschiedlichsten Vorsteck- und Farbscheibenrrahmen und dergleichen ausstatte. Das Gleiche gelte für Podestmaße und allgemeines Aufbaumaterial. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, zunächst die Normung nachstehender bühnentechnischer Elemente in Angriff zu nehmen: 1. Bühnenstecker und -dosen für Scheinwerfer und Anschlussstellen; 2. Farbscheiben für Bühnenscheinwerfer (gemeint waren die notwendigen Rahmen und eventuell die Farben); 3. Stativköšpfe und Stativteller für Scheinwerfer und Stative. In Heft 6 der BTR gab Unruh noch einmal einen ausführlichen Bericht über die in Bayreuth beschlossene Normenarbeit. Um die Ergebnisse dieser Arbeiten als offizielles Normblatt veröffentlichen zu können, musste Unruh das Einverständnis des DNA haben. Dies gelang ihm durch seine Verbindung Ÿüber den Verein Deutscher Ingenieure (VDI), dem er selbst angehörte.

Zum Abschluss der Sitzung folgte der Satz: Die Sitzung wurde beschlossen durch den Kollegen Dollinger – Mannheim, der in der Uniform eines Amtswalters der NSDAP anwesend war, mit einem Heil auf unsere Nation und die Regierung. 

Bleiben noch einige Dinge dieses Berichtsjahres zu erwähnen. – Zunächst zwei Firmenmeldungen: Die seit 1910 bestehende Firma Kölle & Hensel, Berlin Wittenau hat sich in eine GmbH umgewandelt. Kommerzienrat Max Hensel hat seine langjährigen Mitarbeiter Direktor Otto Pavel und den bisherigen Prokuristen Joachim Kellner in die Geschäftsleitung aufgenommen. 

Die bekannte Spezialfirma für Bühnenbedarf A. Schutzmann – München hat ihren langjährig verdienten Mitarbeiter Fritz Harleß nach 3o-jŠähriger Tätigkeit in der Firma als Gesellschafter aufgenommen und die Firma in eine GmbH umgewandelt.

Obwohl bereits seit Frühjahr 1933 auf dem Markt erschienen, aber durch die politischen Ereignisse vollkommen untergegangen und daher erst in Heft 5 der BTR gewürdigt, war der nunmehr im Handel erhältliche zweite Band von Fr. Kranichs Jahrhundertarbeit Bühnentechnik der Gegenwart. Er enthielt zum großen Teil alles Ÿüber die Bühnenbeleuchtung, einschließlich deren Entwicklung bis zum Jahr 1933. Ferner gab es ausführliche Hinweise Ÿüber Möglichkeiten der Anwendung von Filmen auf der Bühne, sowie der Tonübertragung und Tonverstärkung. Notizen Ÿüber Unfall- und Feuerschutz, Gesundheitsfürsorge und deren Einrichtungen. Ein wichtiger Abschnitt waren die akribisch ermittelten Berichte Ÿüber Raumgestaltung und technische Hilfsmittel in Bühnenhäusern alter und neuer Bauart, bei denen Wege aufgezeigt wurden, wie Šältere Anlagen kostengünstig zu modernisieren seien.

Vielleicht sollte noch ein Stellenangebot aus dem Heft 5 zitiert werden: Der Rat der Stadt Leipzig suchte für das Opernhaus einen geprüften Theatermeister mit den üŸblichen Bewerbungsunterlagen. 

Es kommen nur solche Bewerber in Frage, die arischer Abstammung und in politischer Beziehung einwandfrei sind…..

Im gleichen Heft der BTR erging ein Aufruf an alle Technischen Bühnenvorstände und Bühnenbildner: 

Die Organisation aller Bühnenbildner und technischen Bühnenvorstände ist die Reichstheaterkammer. Wer noch nicht Mitglied der Genossenschaft der deutschen Bühnenangehörigen ist, hat daher sofort bei dem Obmann des zuständigen Ortsverbandes oder beim Präsidium der Genossenschaft seinen Beitritt anzumelden.

Zum Schluss noch ein Hinweis auf die BTR. Hansing veröffentlichte folgende Notiz: 

Die Bühnentechnische Rundschau erscheint auf Anordnung des Herrn Ministerialrat O. Laubinger, Präsident der GDBA, auch weiterhin als Fachorgan der Berufsgruppe der technischen Bühnenvorstände, und zwar im Jahre 1934 mit nur 4 Heften.

Zur Situation des Theatergeschehens in diesem Berichtsjahr sei abweichend von den anderen, das Beispiel eines damaligen Technischen Vorstandes wiedergegeben, um die durch den politischen Wechsel bedingten Berufsvoraussetzungen deutlich werden zu lassen.

Es handelte sich um den seit der Mitte der zwanziger Jahre in Frankfurt am Main tätigen Walter Dinse, einen noch verhältnismäßig jungen Technischen Direktor. Sein Hauptanliegen, die völlig veralteten und dauernd von den Sicherheitsbehörden beanstandeten technischen Einrichtungen des Opernhauses grundlegend zu erneuern und umzubauen, scheiterten bis 1932 an den Šäußerst desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt. Mit dem Machtwechsel am 30. Januar war auch er, wenn er unbeanstandet weiter arbeiten wollte, gezwungen, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Dadurch gelang ihm der technische Totalumbau der Oper von 1934 bis 1938. FüŸr diese Anpassung hat er später nachhaltig büßen müssen, was wahrscheinlich die Ursache seines frühen Todes 1948 gewesen sein mag. – Diese Situation war symptomatisch für viele deutsche Theater.

Unter dem gleichen Aspekt der Anpassung könnte auch die Entscheidung zu verstehen sein, die Bühnentechnische Tagung 1933 nach Bayreuth einzuladen. Hatte doch Bayreuth schon seit 10 Jahren die uneingeschränkte Treue zum Führer bekundet und galt als ein Hort des Nationalsozialismus, dessen Einwirkungen sich auch die dort tätigen technischen Führungskräfte nicht entziehen konnten. Dies betraf in erster Linie Friedrich Kranich als Technischen Direktor und den für die Beleuchtung zuständigen Paul Eberhardt, der erst kurz zuvor aus Breslau nach Bayreuth gewechselt war, sich durch seine Leistungen einen Namen gemacht hatte und bei Winifred Wagner in hoher Gunst stand.

Beide Beispiele zeigen, dass ein Technischer Vorstand, wenn es galt die gesteckten Ziele zu erreichen, unbedingt den Anordnungen der neuen Machthaber folgen musste, andernfalls seine Entfernung aus dem Dienst zur Disposition stand.

Das Umfeld

Die Weimarer Republik hauchte aufgrund des im Reichstag herrschenden Parteien-Dauerstreites ihren demokratischen Restbestand endgültig aus. Über 40 politische Parteien und Gruppierungen waren nicht mehr in der Lage sich auf notwendige Kompromisse mit kleinstem gemeinsamen Nenner zu einigen. Eine Folge unter vielem anderen war, der mit 6,3 Millionen Arbeitslosen zu Beginn des Jahres 1933 erreichte Höchststand. Schleicher war aus dem Amt entlassen. Hitler bildete auf Veranlassung der rechtsgerichteten Kräfte im Reichstag ein Kabinett, indem neben rechtskonservativen Ministern, welche schon der Regierung v. Papen angehört hatten, nur zwei Nationalsozialisten: H. Göring als Reichskommissar für das preußische Innenministerium und Dr. Frick als Reichsminister vertreten waren. Reichspräsident v. Hindenburg empfing am 30. Januar dieses neue Kabinett und Hitler wurde von ihm vereidigt. Er war nun Regierungschef und Kanzler des Deutschen Staates. Hindenburg und die Rechtskonservativen hatten geglaubt, die ihnen unheimlichen Nazis eingerahmt und damit unter Kontrolle gebracht zu haben. Aber Göring beherrschte bereits in einem bedenklichen Maße den Beamtenapparat des Reiches und Preußens, vor allem die preußische Polizei und Hindenburg ebnete Hitler durch weitere Präsidialerlasse den Weg. Am 1. Februar erreichte dieser die Auflösung des 7. Reichstages. Eine Notverordnung vom 4. Februar erlaubte rigorose Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit; Zeitungs- und Versammlungsverbote folgten. Göring wies die Polizeibehörden an, dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten und, wenn nötig, rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Schlägertrupps der SA und des Stahlhelm erhielten eine weiße Armbinde mit der Aufschrift Hilfspolizei.

In der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 ging der Reichstag in Flammen auf und aufgrund dieses Ereignisses wurden Kommunisten, denen man die Brandstiftung zur Last legte, Sozialdemokraten und andere linke Kritiker nun verfolgt. Die am 28. Februar in Kraft getretene Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat war bis 1945 Grundlage für Maßnahmen zur Unterdrückung jeglichen Widerstandes und setzte Grundrechte, wie: Freiheit der Person, Unverletzbarkeit der Wohnung, Postgeheimnis, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinsfreiheit, Sicherheit des Eigentums und Einiges mehr außer Kraft. Durch die SA und die SS wurden die ersten Konzentrationslager (KZ) eingerichtet.

Am 5. März fanden Wahlen zum 8. Reichstag statt. Dieser setzte sich wie folgt zusammen: „NSDAP: 288 Sitze; DNVP-/ Stahlhelm: 52 Sitze; Zentrum: 73 Sitze; Bayerische Volkspartei: 19 Sitze; Deutsch Staatspartei: 5 Sitze; DVP: 2 Sitze; SPD: 120 Sitze; KPD: 81 Sitze und Sonstige: 7 Sitze.“ Diese Sitzverteilung ließ klar erkennen, dass durch Schwächung der SPD und KPD, für die Nationalsozialisten keine nennenswerte Opposition mehr möglich war. – Am 21. März wurde dann der 8. Reichstag eröffnet und um dem einen wirksamen Anstrich zu geben, wurde vor Beginn der eigentlichen Eröffnungssitzung in der Potsdamer Garnisonkirche ein feierlicher Staatsakt zelebriert.

Am 24. März legte Hitler dem Reichstag das sogenannte ErmŠächtigungsgesetz, ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, vor. Dessen 1. Artikel lautete: 

Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. 

Dem Gesetz stimmten auch das Zentrum, die Bayerische Volkspartei und die Ÿübrig gebliebenen Liberalen zu. Allein die SPD lehnte die „Entmachtung des Reichstages“ ab. Die KPD-Abgeordneten waren teils verhaftet worden, teils untergetaucht. Ein Gesetz zur „Gleichschaltung“ der Länder gab auch den Länderregierungen das Gesetzgebungsrecht. Ohne formelles Verbot wurden die Mandate der KPD in allen bestehenden Parlamenten für ungültig erklärt und das Parteivermögen beschlagnahmt. – Am 2. Mai ließ Hitler die Gewerkschaftsbüros besetzen und die Funktionäre verhaften. Die SPD wurde am 22. Juni verboten, die anderen Parteien lösten sich freiwillig auf.
Bereits am 1. April gab es einen öffentlich verkündeten Boykott jüdischer Geschäfte. Am 7. April wurde das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen, welches als eigentlichen Zweck die Zwangspensionierung von Juden im Öffentlichen Dienst erlaubte. An die Stelle der durch das Ermächtigungsgesetz verbotenen Gewerkschaften trat unmittelbar darauf die Deutsche Arbeitsfront (DAF), deren Funktionäre die Betriebsräte ersetzen. Mit der DAF sollte der Arbeitsfrieden sichergestellt werden, denn Hitler brauchte die Industrie. Diese wiederum erhoffte sich von Hitler die Disziplinierung der Arbeiterschaft und den für sie wichtigen Aufschwung der Wirtschaft. 

Alle öffentlichen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung hatten der Wehrhaftmachung des Deutschen Volkes zu dienen, die in fünf Jahren vollendet sein müßte. Es wurden dafür ca. 1,5 Milliarden Mark investiert. Alle diese Maßnahmen, wie die Wiederaufnahme von Beschäftigung für Arbeitslose, die Förderung produktiver Wirtschaftszweige, der Bau von Autobahnen, die Aufhebung der Kfz-Steuer als Anreiz für den Autokauf breiterer Volksschichten, dienten letztlich einer Aufrüstung, die ab diesem Zeitpunkt der eigentliche Motor einer steigenden Konjunktur war, welche gleichzeitig in bescheidenem Umfang auch den Lebensstandard der Bevölkerung anhob. Am 20. Juli schloß Hitler mit dem Vatikan das Reichskonkordat, in welchem der katholischen Kirche im Reich große Zugeständnisse gemacht wurden. Die Kirche ihrerseits mußte sich verpflichten, den Geistlichen und Ordensleuten die Mitgliedschaft in politischen Parteien zu untersagen. 

Die NS-Außenpolitik betreffend fürchtete man in Europa, daß sich Deutschland an geschlossene Verträge nicht mehr halten würde. Doch Hitler versicherte der Welt seinen Friedenswillen. Er brauchte Zeit. Als allerdings Franzosen und Briten auf der Genfer Abrüstungskonferenz die Forderung nach voller Gleichberechtigung und begrenzter Aufrüstung Deutschlands ablehnten, verließ Deutschland am 19. Oktober diese Konferenz und trat gleichzeitig aus dem Völkerbund aus. 

Der neu geschaffene Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Josef Goebbels, sorgte für die Gleichschaltung der Massenmedien und der Kultur. Dem Propagandaministerium wurde die neu gegründete Reichskulturkammer unterstellt, welche sich in: Reichs-Pressekammer, Reichsschriftumskammer, Reichsrundfunk-Kammer, Reichsmusikkammer, Reichstheaterkammer, Reichsfilmkammer und Reichskammer für Bildende Künste gliederte. Der Reichstheaterkammer gehörten an: Der Deutsche Bühnenverein, der Einheitsbund deutscher Berufsmusiker, der Deutsche Chorsängerverband und Tänzerbund, die Vereinigung der Bühnenverleger, der Berufsverband deutscher Artisten, der Verband der Varieté & Theater- und Zirkusdirektoren, sowie nicht zuletzt die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Diese unterteilte sich in nunmehr 9 Berufsgruppen: 1. Schauspieler, 2. Sänger 3. Spielleiter/Regisseure, 4. Dramaturgen, 5. Bühnenbildner/künstlerische Beiräte, 6. Kapellmeister, Musik- und Chordirektoren, 7. Technische Bühnenvorstände, 8. Inspizienten und Souffleure, 9. Theaterfriseure (heute: Maskenbildner) und 10. Rundfunkangehörige. Diese Gliederung, wurde trotz Verschmelzung von 5 und 7, beibehalten. 

Am 10. Mai erfolgte die erste öffentliche Bücherverbrennung der sogenannten zersetzenden Literatur. Wesentliche im Geistes- und Kulturleben führende Persönlichkeiten mußten Deutschland verlassen. 

Daß die politischen Umwälzungen sich auch auf den Gebieten Wissenschaft und Forschung nachhaltig auswirkten, braucht nicht erwähnt zu werden. Zum einem waren gerade die namhaftesten Vertreter dieser Bereiche aufgrund ihrer Überzeugung gezwungen ins ausserdeutsche Exil zu gehen. Aber es gab viele ernstzunehmende Fachleute, welche in den hier zu behandelnden Jahren nicht ausreisten oder Deutschland nicht verlassen konnten und sich deshalb den geänderten Verhältnissen anzupassen versuchten. Sie standen meist im Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn oder hatten gerade erste Erfolge in ihrem jeweiligen Fachgebiet zu verzeichnen, die aufzugeben sie nicht bereit waren. Diese Situation betraf vor allen Dingen künstlerisch Tätige, es waren aber auch führende Bühnentechniker darunter. 

Im Jahr 1933 begann in der UdSSR der zweite Fünfjahresplan. Er sollte die Produktion von Konsumgütern verdoppeln, was die Versorgung der Bevölkerung zwar verbesserte, aber nicht sicherstellen konnte. Das Hauptgewicht der Förderung lag weiterhin bei der Schwerindustrie, welche einen wesentlichen Faktor bei den WiederaufrŸüstungsbemüŸhungen der Sowjetunion darstellte.

Die USA, welche trotz Roosevelts Bemühungen seit 1932 immer noch ca. 13 Millionen Arbeitslose als Belastung ihrer Wirtschaft zu verzeichnen hatten, fühlten sich inzwischen außenpolitisch als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt und mitverantwortlich für deren Gesamtzustand. Der 1932 von den USA verkündete Grundsatz: „Keine Vereinbarungen in der Welt anzuerkennen, die mit Gewalt entstanden seien“, wurden vom Völkerbund in Genf als Grundsatzfeststellung in dessen Statuten Ÿübernommen. In London trat eine Weltwirtschaftskonferenz zusammen. England und Frankreich wollten die internationale Währungsordnung wieder festigen. Gold sollte die wichtigen Währungen wie seinerzeit vor dem ersten Weltkrieg decken. Die Wechselkurse sollten nicht länger vom Markt abhängen, das heißt schwanken, sondern amtlich festgelegt werden. Die USA aber waren nicht bereit, sich den europäischen Wünschen zu fügen. Sie besaßen Ÿüber 80% der gesamten Goldreserven in der Welt. Der US-Dollar $ wurde zur allgemeinen Leitwährung der westlichen Welt.


BTR Ausgaben 1933

(Bitte haben Sie etwas Geduld, bis die Anwendung startet und die Daten geladen wurden.)

Heft 01

Heft 02

Heft 03

Heft 04

Heft 05

Heft 06