Der Fachverband
Durch Neuorganisation wurde 1935 die bisherige Berufsgruppe als Fachgruppe Technische Bühnenvorstände bezeichnet. Der bisherige Obmann der Berufsgruppe, A. Ludwig – Lübeck wurde seines Amtes enthoben. In der Fachschaft Bühne gehörten nun zur Fachgruppe 2: Künstlerische und Technische Bühnenvorstände, zur Fachgruppe 2b: Vorstände des Maschinen-, Dekorations- und Kostümwesens und Personen in gleichartiger oder ähnlicher Stellung, wenn sie ihren Abteilungen verantwortlich vorstehen; Bühneningenieure und Werkstättenleiter. In einer weiteren Fachgruppe 6b gehörten: Theatermeister, Friseure / Cheffriseure, Beleuchtungs- und Gewandmeister und ähnliche technische Angestellte, die nicht zur Fachgruppe 2b gehören. Fachgruppenleiter der Fachgruppe 2b, sowie der Fachgruppe 6b, war der Technische Direktor des Deutschen Opernhauses Dipl.-Ing. Kurt Hemmerling. Demokratische Abstimmungsverfahren fanden im NS-Staat nicht mehr statt, es wurde nur noch bestimmt oder angeordnet.
Die Mitglieder der Fachgruppe erhielten die BTR gegen Ersatz der Versand- und Bürokosten zugestellt. Der Betrag hierfür wurde auf 1,-RM festgesetzt. Im Heft 2 wurde zur 21. Bühnentechnischen Tagung vom 6. bis 8. Juli 1935 in das Nationaltheater München eingeladen. Wie schon einmal, wurde der Tagung ein Extratag in Augsburg vorgeschaltet, der nicht als Tagungstag zählte, aber unmittelbar mit der Tagung und ihren Themen in Zusammenhang stand. Nach einer Besichtigung des Augsburger Stadttheaters mit der neu eingerichteten Gleichrichteranlage, gab es eine weitere Besichtigung der Freilichtbühne am Roten Tor. Zur Eröffnungsversammlung im Chorsaal des Nationaltheaters München gab es neben einem Vortrag von Professor Adolf Linnebach über: Zeitfragen der Bühnentechnik und der Bühnenbildnerei, eine Vorführung der neuen Doppelstockdrehbühne. Am Nachmittag stand Vorführung neuer bühnentechnischer Apparate durch die Fachfirmen an. Der zweite Tag galt nichtöffentlichen Mitgliedersitzungen. Für Damen der Mitglieder, Nichtmitglieder und sonstige Gäste waren zum ersten Mal Ausflüge mit Kraftomnibussen in die Berge, bzw. an die Seen Oberbayerns geplant. Schließlich gab es noch Besichtigungen der optischen Abteilung des Deutschen Museums und der Ausstellungen des Theatermuseums Klara Ziegler Stiftung. Bei Tagungsbeginn konnten vom begrüßenden Fachgruppenleiter Dipl.-Ing. Kurt Hemmerling und dem Vertreter des Generalintendanten des Nationaltheaters, Schauspieldirektor Schlenk, 200 Teilnehmer begrüßt werden. Darüber hinaus war eine große Zahl von Vertretern amtlicher Stellen, Firmen und anderer Organisationen anwesend. Der Vortrag von Prof. A. Linnebach am ersten Tagungstag erschöpfte sich nicht nur in künstlerischen Zeitfragen der Bühnentechnik und der Bühnenbildnerei, wie angekündigt, sondern behandelte auch sehr eindringlich die sozialbetrieblichen Vorgänge zwischen Theaterleitungen, Theaterbürokratie, Künstlerschaft einerseits und andererseits den realen Gegebenheiten des Alltagsbetriebes mit Vorschriften, Arbeitszeitregelungen und dergleichen. Wie sehr der Vortragende den Nerv der angesprochenen Dinge getroffen hatte, zeigt die überaus starke Zustimmung der Versammlung. Bei den Versammlungen der Fachgruppe hielt Technischer Direktor Max Hasait – Dresden einen Lichtbildervortrag über Planung neuer Theater, wobei er nachhaltig rügte, dass bei den meisten Theater Neu- und -Umbauten die Bühnentechniker als berufene Fachleute des Bühnenbetriebes nicht zu den Planungen herangezogen würden und dann die ihnen vorgesetzten Ergebnisse mit all den ihnen anhaftenden Fehlern und Nachteilen gegenüber ihren Theaterleitungen zu vertreten hätten. Es wurden aber auch noch andere wichtige Fragen, wie Nachwuchs, Ausbildung und die soziale Lage des Bühnentechnikers behandelt. Anläßlich der Besichtigung des Deutschen Museums kam das Bedauern zum Ausdruck, dass der deutschen Bühnentechnik kein noch so bescheidener Platz in diesem Museum eingeräumt ist. Immerhin gab es den Max Littmann-Saal, wo durch zahlreiche Modelle und Abbildungen ein Überblick über die großen Leistungen des Verstorbenen auf dem Gebiet des Theaterbaus gegeben wurde.
Theatergeschichte
Aus der BTR:
Aus Dankbarkeit an die Bevölkerung des Saarlandes zu dem überragenden Abstimmungsergebnis für Deutschland wurde der Auftrag zu einem Neubau des Saarbrücker Stadttheaters gegeben.
Seit der Brandkatastrophe vom März bestand die Absicht, für Zittau ein neues Stadttheater zu errichten. Ein schlichter, zweckmäßiger, mit den neuesten Errungenschaften der Technik ausgestatteter Theaterbau war vorgesehen, der etwa 600 Sitzplätze erhalten sollte. Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr begonnen. Die Maschinerie- und Beleuchtungsanlage der Bühne des Stuttgarter Großen Hauses sollte umgestaltet werden.Mit der inneren Neugestaltung der Nürnberger Oper wurde Professor Schultze, Naumburg, beauftragt, der den gesamten Innenbau, Orchester und Bühnenraum einer Erneuerung unterzog. Als technischer Sachverständiger wurde der Technische Direktor der Hamburger Staatsoper Dipl.-Ing. W. Unruh gewonnen. Die Umgestaltungsarbeiten des Neuen Theaters Leipzig werden auf mehrere Bauabschnitte verteilt, für deren ersten der Rat der Stadt 800.000 Mark bewilligte. Nach einer amtlichen Mitteilung der Stadtverwaltung Solingen soll die Stadt ein neues Stadttheater erhalten und zwar durch den Umbau der Stadthalle zu einer modernen Bühne. Der 250. Geburtstag des Johann Sebastian Bach war die Veranlassung, das älteste Theater Deutschlands, das Hoftheater Celle, erbaut 1685, nach völligem Umbau wieder zu eröffnen. Für den geplanten Theaterneubau in Zwickau sind bisher 60.000 RM an Spenden eingegangen. Dem Grundstock für den Theaterneubau werden auch die Überschüsse aus den anläßlich der 850-Jahrfeier der Stadt veranstalteten Festspielen zugeführt. In München soll baldigst mit dem Bau einer neuen Oper begonnen werden, welche die größte und zugleich die schönste Oper der Welt sein sollte. Für Bremen ist ein Neubau des Staatstheaters vorgesehen. Das Bühnenhaus des Augsburger Stadttheaters soll im Laufe der nächsten drei Jahre vollständig umgebaut werden. Das Landestheater in Braunschweig plant ebenfalls einen großzügigen Umbau. Ein besonderer Theaterumbau fand im Jahre 1935 in Berlin Mitte statt. Für das staatliche Schauspielhaus Berlin Gendarmenmarkt wurden die hinter dem Schauspielhaus gegenüberliegenden Häuser abgebrochen und an ihrer Stelle wird ein Magazingebäude erstellt, das durch eine große gedeckte Brückenüberführung (über die Charlottenstraße) mit der Hinterbühne des Theaters so verbunden wird, dass der große Hinterbühnenwagen über diese in einem entsprechenden Raum des Magazingebäudes abgestellt werden kann. Das französische Unterrichtsministerium hat einen Betrag von 5.500.000 Francs zum Umbau der Inneneinrichtung der Comédie Française zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten erstrecken sich auch auf die völlige Erneuerung der Beleuchtungsanlage, die den Siemens-Schuckert-Werken übertragen wurde. Die über dreihundert Jahre alte Dogana in Innsbruck, ein Theaterbau der Barockzeit soll, wenn die Mittel zusammengebracht werden können, als Festspielhaus auferstehen. Im Januar wurde das Theatro Nuovo in Neapel durch einen Brand bis auf die Grundmauern zerstört. Mit dem Theater verschwand eine historische Kunststätte, denn das 1724 erbaute Theater war die eigentliche Wiege jener Opera buffa, die von Neapel ausgehend im 18. Jahrhundert die Musikwelt beherrschte. Ebenfalls ein Raub der Flammen wurde im Januar das Lyrische Theater in Brüssel. In den letzten Jahren diente es nur noch Versammlungen und Bällen.
Personal- und andere Meldungen: Der staatlichen Kunsthochschule in Weimar wurde eine Fachschule für Bühnenbildner angegliedert.
Direktor Roman Wanner, der technische Vorstand des Mainzer Stadttheaters, trat in den Ruhestand. Er hat 25 Jahre an der Mainzer Bühne gewirkt und kann im ganzen auf eine 35-jährige Tätigkeit am Theater zurückblicken.
Professor Oskar Strnad, der bekannte Wiener Architekt und Bühnenbildner starb im Alter von 56 Jahren.
Der Bühnenhandwerker Adolf Zotzmann wurde vom Technischen Direktor der Hamburger Staatsoper, W. Unruh als Technischer Assistent an das Hamburger Haus verpflichtet. Dieses Engagement war der Grundstein für seine spätere Karriere als Bühnentechniker und -planer.
An technischen Neuerungen gab es im Berichtsjahr einen von der Fa. Reiche & Vogel – Berlin entwickelten neuesten Scheinwerfertyp, den Spiegellinsenscheinwerfer, eine Verbindung der beiden Systeme des bisher bekannten Plankonvex-, Plankonkav- oder Stufen- Linsenscheinwerfers und des Spiegelbogenlampenscheinwerfers (Spotlight).
Eine epochemachende Erfindung in der Theaterbeleuchtungstechnik waren die von dem Beleuchtungsinspektor des Deutschen Opernhauses in Berlin-Charlottenburg, Paul Überall in Zusammenarbeit mit Siemens – Schuckert entwickelten und nach ihm benannten Bühnensteckvorrichtungen System Überall. Mit diesen Steckvorrichtungen war endlich das Problem der unterschiedlichen Beleuchtungsgeräteanschlüsse störungsfrei gelöst.
Anläßlich der Bühnentechnischen Tagung in München wurden sie einheitlich bei allen Theaterneu- und -umbauten auf Behördenveranlassung eingebaut.
Unter der Überschrift: Theater Neu- und Umbauten:
Die deutsche Bühnenbaufirma Kölle & Hensel GmbH. – Berlin – Wittenau erhielt einen größeren Auslandsauftrag. In Athen entsteht in einem riesigen Eisenbetonbau in der obersten Etage ein modernes Theater. Darunter liegt ein riesiges Kino und die unterste Etage wird einen Tanzpalast mit eingebauter heb- und senkbarer Drehscheibe erhalten.
Das Umfeld
In der Sowjetunion traten Unruhen und Spannungen auf.
In Italien wollte Mussolini ein Römisches Imperium errichten. Er versprach, mit Frankreich zusammen die Unabhängigkeit Österreichs zu schützen und gegen die deutsche Aufrüstung zu wirken. Dafür bekam Italien freie Hand in Abessinien. Der daraufhin einsetzende Eroberungskrieg dieses Landes durch Italien begann am 3. Oktober 1935. Der Völkerbund verurteilte Italien, um es außenpolitisch zu isolieren. Aber die USA, welche dem Völkerbund nicht angehörten, lieferten das zur Kriegsführung notwendige Rohöl. Auch Hitler bot wirtschaftliche Hilfe an. Aus Dankbarkeit darüber versicherte Mussolini, dass Italien sich jetzt nicht mehr widersetzen werde, wenn Österreich in die deutsche Einflussspähre käme und Deutschland den Pakt von Locarno aufkündigen würde. Jetzt hatte Hitler Rückenfreiheit, um den großen Schlag gegen Versailles zu führen. Im Saargebiet fand im Januar die Volksabstimmung über die Volkszugehörigkeit statt. Über 90% der Bevölkerung entschieden sich für Deutschland. Hitler nutzte diese nationale Begeisterung in Deutschland und führte die allgemeine Wehrpflicht und eine sechsmonatige Arbeitsdienstpflicht für alle 18-jährigen Jungen und Mädchen ein. Deutschland und England schlossen ein Flottenabkommen, dass für die deutsche und englische Flotte ein Verhältnis von 35 : 100 festlegte. Der Bau von U-Booten sollte keiner Beschränkung unterliegen. Damit billigte Großbritannien die Verletzung der Versailler Abrüstungsbestimmungen offiziell. Bis 1935 lief ein Rüstungsprogramm von 9,2 Mrd. RM, welches sich auch auf Theater Um- oder Neubauten auswirkte, und in vielen Fällen zu Verzgerungen im Bauablauf führte. Innenpolitisch brachte das Jahr eine Verschärfung der Judenverfolgung, welche in der Verkündung der Nürnberger Gesetze seinen vorläufig ersten Höhepunkt erreichte. Sie bestimmten, dass die jüdischen Mitbürger nicht mehr Staats- oder Reichsbürger waren, sondern nur noch Staatsangehörige. Ehen zwischen Juden und Nichtjuden waren verboten, bereits bestehende konnten annulliert werden. In einer Schrift der verbotenen SPD konnte man unter anderem lesen:
Von jedem Blockwart wird eine umfangreiche Kartei geführt, die eingehende Angaben über jeden einzelnen Bewohner des ihm unterstehenden Blockes enthält, zum Beispiel ob frühere Mitgliedschaft bei inzwischen verbotenen Parteien, ob Arier oder Jude und vieles andere mehr…
Technik
Der Begriff des Fernsehens, oder der Television, wurde in diesem Berichtsjahr erstmalig auch für die Theaterschaffenden von Interesse. Ab März gab es ein regelmäßig ausgestrahltes Fernsehprogramm über UKW. Es wurde ein Bild von zunächst 180 Zeilen, bei 25 Bildern/sec. erzeugt, dessen Zeilenzahl aber schon bald danach auf 225 Zeilen/Bild erhöht wurde, um ein kontrastreicheres Bild erzeugen zu können. Die grundlegenden Erfindungen zur praktischen Auswertung der Fernsehtechnik in Deutschland erfolgten also lange vor dem zweiten Weltkrieg. Durch den Kriegsausgang wurden alle Patente und Belege von den Alliierten beschlagnahmt und ihnen ohne Kosten zugänglich gemacht. Für die Theaterleute war die erste Fernsehentwicklung insofern interessant, weil sich wegen der Life-Charakteristik bei der Entstehung einer Fernsehsendung der gesamte Studioapparat stärker am Theater orientieren musste, als am Studiobetrieb des Films. Es waren damit damals erste Berührungspunkte dieser beiden Medien gegeben.
Eine andere Entwicklung betraf das Fortschreiten auf dem Gebiet der atomaren Techniken. 1935 gelang es dem Physiker Enrico Fermi durch Neutronenbeschuss Atomkerne umzuwandeln.
1935 beging die Deutsche Reichsbahn das 100-jährige Bestehen der Eisenbahn in Deutschland. Anläßlich dessen wurde der Dieselschnelltriebwagen Fliegender Hamburger vorgestellt, der die Strecke zwischen Berlin und Hamburg im regelmäßigen Fahrplaneinsatz mit 160 km/h bewältigte. Mit einem propellergetriebenen Schienenzeppelin wurde sogar eine 230 km/h Spitzengeschwindigkeit erreicht.
BTR Ausgaben 1929
(Bitte haben Sie etwas Geduld, bis die Anwendung startet und die Daten geladen wurden.)
Heft 01
Heft 02
Heft 03
Heft 04