1938

Der Fachverband

In Heft 1/38 der BTR wurde Ÿüber eine neue Prüfungsordnung für technische Bühnenvorstände berichtet: 

FüŸr die Prüfung der technischen Bühnenvorstände bestehen zur Zeit in den verschiedenen Landesteilen des Deutschen Reiches noch keine einheitlichen Bestimmungen. Seit einigen Jahren sind Arbeiten mit dem Ziel der Vereinheitlichung im Gang. Abschluss und Herausgabe der neuen Bestimmungen sind für die nächste Zeit zu erwarten. Soweit bekannt, wird insbesondere die in der Praxis zur Zeit schwer durchführbare preußische Bestimmung, dass nur Prüflinge zugelassen werden, welche mindestens eine einjährige Ausbildung an einer staatlichen Gewerbe- oder technischen Mittelschule nachweisen können, in Zukunft nicht mehr bestehen. In diesem Zusammenhang wird die Frage brennend, auf welche andere Art die zukünftigen Theater- und Beleuchtungsmeister sich die für ihre Berufstätigkeit erforderlichen theoretischen Kenntnisse aneignen können. Es wird an die Einrichtung von Schulungskursen gedacht. An diesen Lehrgängen sollen die aus dem Bühnenwerkerstand hervorgehenden Meister teilnehmen und dort die Kenntnisse sich verschaffen, welche sie zur Ablegung der Berufsprüfung befähigen.

In Heft 2 gab es zunächst einen Aufruf zur 22. Bühnentechnischen Tagung, die erstmalig an zwei unterschiedlichen Tagungsorten und zwar in Nürnberg und Bayreuth stattfinden sollte. Zum ersten Mal, seit der Gründung der Deutschen Bühnentechnischen Gesellschaft, tagte diese neue Vereinigung gemeinsam mit der Fachgruppe Technische Bühnenvorstände der Fachschaft Bühne in der Reichstheaterkammer. Die Einladung richtete sich nicht nur an die Mitglieder der DBG und an die Angehörigen der Fachgruppe. Sie galt für alle Bühnenschaffenden, also auch für die Führer der Theaterbetriebe, die Spielleiter, Bühnenbildner, Verwaltungsleiter. Es wurde gleichzeitig die Bitte ausgesprochen, den technischen Bühnenvorständen die Reise zur Tagung durch einen Unkostenzuschuss zu ermöglichen. Die Einladung galt vor allem auch den Amtsvorständen der Überwachungsbehörden und Betriebsämter, den Theaterbauarchitekten, sowie den Konstrukteuren der Theaterindustrie und den Theaterwissenschaftlern.

In Heft 3/38 der BTR wurde von dem inzwischen als Technischer Leiter in Göttingen tätigen Adolf Zotzmann eine ausführliche Darstellung Ÿüber ein Normungsvorhaben für TüŸr-, Fenster- und Vollwände gegeben, welches anhand von Zeichnungen erläutert und dargestellt wurde und einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Arbeiten besonders der kleineren Theater darstellte. Weitere Fachthemen des Heftes waren: Huhn, Die Bühnenmaschinerie des Dessauer Theaters, bei dessen verhältnismäßig großem Theaterneubau erstmalig die gesamte Bühnenmaschinerie mit elektrischen, Leonard gesteuerten Antrieben ausgerüstet worden war, im Gegensatz zu den sonst bei dieser Theatergröße Ÿüblichen hydraulisch betriebenen Anlagen. Linnebach:, Schiffe und Wasser auf der Bühne; Zotzmann, Dienstordnungen in Theaterbetrieben; Kampe, Prüfungsaufgaben für Theatermeister. Das vierte und letzte Heft (4/38) brachte u.a. die Aufsätze: DüŸrr, Die Stellung des Bühnentechnikers im Theaterbetrieb; Hasait, Schulungskurse; Unruh, Nachwuchspflege, Schulung,Werbung; Linnebach, Neue Bühnenlichtregelung.

Zum Bericht Ÿüber die Tagung vom 31. Juli bis 2. August 1938 einige Einzelheiten: 

Die Veranstaltung erfreute sich eines zahlreichen Besuches aus Kreisen der Bühnentechniker, Bühnenbildner, Regisseure und Theaterwissenschaftler; auch verschiedene industrielle Werke hatten Vertreter entsandt.

Nach den üŸblichen Begrüßungsansprachen folgte man dem Tagungsplan, der im Wesentlichen vier Gebiete behandelte: 1. Die Stellung der Bühnentechniker im Betrieb; 2. Nachwuchs- und Schulungsfragen; 3. Unfallverhütung und 4.Probleme einer neuen Bühnenlichtregelung. 

Das betraf die Thyratronregelröšhren, welche auf elektrischem Wege eine Regelung der Bühnenlichtgeräte ermöglichten und keine großen mechanischen Stellwerke mehr benötigten. Die aus Betriebsversuchen resultierenden Ergebnisse wurden intensiv behandelt, weil man hoffte auf diesem Weg von den mittlerweile viel zu groß gewordenen mechanischen Stellwerksanlagen, die mit hohem Personalaufwand betrieben werden mussten, loszukommen. In gewisser Beziehung war dies der Beginn der nach dem zweiten Weltkrieg mit Vehemenz einsetzenden neuen elektrischen und elektronischen Regelungsformen für die Bühnenbeleuchtung.

Weitere Referate waren: DüŸrr, Die Stellung der Bühnentechniker im Betriebe; Max Hasait Schulungskurse für Theater- und Beleuchtungsmeister deutscher Theater; W. Unruh, Nachwuchspflege, Schulung, Werbung. Den Abschluss bildete noch einmal M. Hasait mit einem Bericht Untersuchung der geeigneten Antriebsmittel für Bühnenmaschinerien, wobei es um die jeweils wirtschaftlichste Form, ob hydraulisch oder elektrisch, für die entsprechende Theaterbetriebsgröße ging.

Weitere Einzelheiten zu den Arbeiten der einzelnen Arbeitsausschüsse konnten nicht gegeben werden. Der Grund für die fehlenden Berichte lag in der großen dienstlichen †Überlastung der Sachbearbeiter, weshalb die DBG beschloss durch die Heranziehung jüngerer Kräfte einen Ausgleich zu schaffen.

In dem Bericht Ÿüber die Tagung heisst es dann weiter: 

Großes Interesse fanden die Besichtigungen des Opernhauses und des Schauspielhauses. Den Tagen in Nürnberg folgte eine Fahrt nach Bayreuth. Durch das besondere Entgegenkommen von Frau Winifred Wagner wurde die Teilnahme an der projektionsmäßigen Verwandlung vom 1. zum 2. Bild der Aufführung Parsifal im Festspielhaus ermöglicht. 

Besucht wurden dann noch das alte markgräfliche Opernhaus, das Neue Schloß und die Eremitage. Zur Verbandsarbeit gab es im letzten Heft der BTR von 1938 noch einige Meldungen. FüŸr die geplante Ausstellung zur Bühnentechnischen Tagung 1939 in Kassel erging ein ausführlicher Aufruf durch den Vorsitzenden. Hasait gab bekannt, dass die in Nürnberg bei der Tagung besprochenen Dinge der Schulung soweit gediehen seien, dass mit deren Durchführung zu rechnen sei. Die Mitglieder wurden gebeten Unterrichtsmaterial in Form von Modellen, Zeichnungen und dergleichen Dingen an die technischen Lehranstalten in Dresden zu senden, welche mit der Durchführung dieser Schulungskurse beauftragt worden war.

Eine geschäftliche Mitteilung des Vorsitzenden der DBG behandelte den zukünftigen Vertrieb der Bühnentechnischen Rundschau. Folgendes wurde bekanntgegeben: 

Die zum Versand gelangte Märznummer ist die letzte Nummer der BTR, welche kostenlos geliefert wurde. Über die zukünftige Höhe des Preises für die Zeitschrift und die sonstigen Bezugsbedingungen schweben noch Verhandlungen mit den zuständigen Stellen. Den bisherigen Beziehern gehen nach Abschluss derselben Formulare mit der Bitte zu, die Zeitschrift in der vorgeschriebenen Form zu bestellen. Es darf die Erwartung ausgesprochen werden, dass die Berufskameraden, trotz der mit der Umstellung verbundenen Mehrbelastung, welche nicht erheblich sein wird, treu zu ihrer Fachzeitschrift halten und dadurch unsere Bestrebungen unterstützen.

Trotz vieler Initiativen der nunmehr ein Jahr bestehenden Deutschen Bühnentechnischen Gesellschaft war das vorliegende Berichtsjahr nicht so aktiv wie seine Vorgänger. Das mag auch ein wenig an der politischen Entwicklung im Lande gelegen haben. 

Theatergeschichte

Im Februar wurde das der Stadtgemeinde Mailand gehörende Thatro Lirico, mit seinen 2700 Zuschauerplätzen eines der größten Theater Mailands, durch ein Großfeuer fast völlig zerstört.

Weitere Notizen lagen für diesen Abschnitt des Berichtsjahres nicht vor.

Das Umfeld

In Deutschland ging die Verfolgung der Juden weiter. Sie gipfelte in der sogenannten Reichskristallnacht vom November. Die Synagogen brannten. Die Feuerwehren waren zwar aufgefahren, griffen aber nur ein, um die umliegenden Gebäude vor Funkenflug und Brandgefahr zu schützen. SA- und SS-Männer, teilweise in Uniform, teilweise in Zivil, schlugen die Scheiben der jüdischen Geschäfte ein und beschmierten die Wände mit Parolen wie: Juden raus, Juden sind unser Unglück. 

Um für seine Ziele freie Hand zu bekommen, übernahm Hitler im Frühjahr selbst den Oberbefehl Ÿüber die Wehrmacht. Der Außenminister von Neurath trat zurück, seine Stelle Ÿübernahm der Hitler ergebene Joachim von Ribbentrop. Hitler forderte den Anschluss Österreichs an Deutschland. Der englische Premierminister Chamberlain und sein Außenminister Halifax schienen mit dem Ziel der internationalen Entspannung zur Nachgiebigkeit bereit. Hitler wusste, dass Österreich ohne britischen Widerstand eingegliedert werden konnte. Frankreich würde, wie seinerzeit bei der Rheinlandbesetzung, ohne England nicht handeln. Im März rückten die deutschen Truppen in
Österreich ein. Sie wurden von der šösterreichischen Bevölkerung jubelnd empfangen. Als Hitler Wien erreichte, läuteten die Glocken und von manchen Kirchen wehten Hakenkreuzfahnen. Die šösterreichischen Bischöfe mit Kardinal Innitzer an der Spitze bekannten sich in einem Aufruf als Deutsche zum Deutschen Reich und forderten die Gläubigen auf, für den Anschluss an Deutschland zu stimmen. Im April fand in Österreich und Deutschland die Volksabstimmung zum Anschluss statt. Dieser wurde mit 99,7% der Stimmen gutgeheißen.

In der Tschechoslowakei forderte die Sudetendeutsche Partei die volle Autonomie für das Sudetenland. Die Prager Regierung war aber dazu nicht bereit; sie erwartete die Unterstützung Frankreichs und Englands in dieser Angelegenheit. Doch diese blieb aus. Der englische Premierminister Chamberlain, der französischen Ministerpräsidenten Daladier, Mussolini und Hitler vereinbarten im Münchener Abkommen die Besetzung des Sudetenlandes durch deutsche Truppen. Großbritannien und Frankreich garantierten den Bestand des tschechoslowakischen Reststaates. Hitler und Mussolini versprachen, dieser Garantie beizutreten Der Friede schien gerettet.

Gegen Ende des Jahres 1938 beschossen die beiden deutschen Physiker Otto Hahn und Fritz Strassmann an ihrem Institut Uranatomkerne mit Neutronen und riefen so eine Kernspaltung hervor. Das war die erste Atomkernspaltung weltweit..

Auf der Funkausstellung in Berlin waren erstmalig die neu entwickelten Fernseh-VolksempfäŠnger zu sehen und zu begutachten. Es handelte sich um GeräŠte mit einer erstmalig gezeigten Flachbildfernsehempfangsröšhre. Den Konstrukteuren von TELEFUNKEN war es gelungen, die bisherigen langhalsigen Bildröhren zu verkürzen und gleichzeitig ein dabei größeres und besseres Bild zu erzeugen. Dadurch wurde eine unwahrscheinlich kurze Gehäusetiefe von nur knapp einem halben Meter erreicht.

Im Januar entstand in den Laboratorien des Chemieriesen IG Farben in Frankfurt-Höchst die elastische und vielseitige Substanz einer schimmernden Kunstfaser mit Namen Perlon, welche den natürlichen Garnen in vieler Hinsicht Ÿüberlegen war. Das Material war dünn wie Spinnweben und härter als Stahl gleicher Dicke. Wie das kurz zuvor in Amerika entdeckte, chemisch fast identische Nylon, knickt Perlon aber nicht, ist leichter als Seide, hochelastisch, motten-, pilz- und bakteriensicher. Aus diesen Polyamidfasern wurden Flugzeugreifen, Angelleinen, Zahnbürsten, Polarzelte und Förderbänder gefertigt.


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