1943

Der Fachverband

Dass unter den gegebenen Umständen von einer Verbandsarbeit der Deutschen Bühnentechnischen Gesellschaft eigentlich nicht mehr die Rede sein konnte, versteht sich. Es soll aber trotzdem versucht werden, die wenigen Bemühungen des Rumpfvorstandes der Gesellschaft darzustellen. 

In diesem Jahr erschienen nur noch drei Doppelhefte der Bühnentechnischen Rundschau. Heft 1+2/1943 im März, Heft 3+4 im November und Heft 5+6 im Dezember 1943. 

Linnebach als Schriftleiter und Vorsitzender der DBG war bemüht die erschienenen Hefte des Jahrganges so interessant wie in dieser Zeit möglich zu gestalten, zumal eigentliche Berichte Ÿüber die Arbeit der Gesellschaft fehlten. 

So wurde in unterschiedlichen Artikeln über Bühnenbildprojektion berichtet, unter dem Aspekt, dass man bei den Behelfsspielmöglichkeiten mittels Projektionen wenigstens etwas Atmosphäre zu schaffen gedachte.

R. T. Kranich berichtete Ÿüber: Grundlagen für neue Theaterbauten, was in Hinblick auf die vielen Theaterbeschädigungen durch den Krieg für zukünftige Wiederaufbaumaßnahmen durchaus interessant gewesen sein dürfte. Rolf Gebhardt, der als Technischer Oberleiter im Deutschen Theater in Den Haag tätig war, berichtete in zwei ausführlichen Aufsätzen Ÿüber Spielbedingungen im besetzten Holland.

In einem Artikel eines VDE – Elektroingenieurs H. Lamey aus DŸüsseldorf-Ratingen wurden unter der †Überschrift: Der selbsttätige Lichtablauf im Bühnenbetrieb, Ein Vorschlag erstmalig die Möglichkeiten erörtert, einen Beleuchtungslichtablauf im Voraus festzulegen, zu programmieren und zu jeder beliebigen Zeit wiederholen zu können. Der Autor erörterte das Problem vom Standpunkt des Bühnentechnikers, der technischen Durchführbarkeit, der künstlerischen Leitung und des Zuschauers und stellte fest, dass die Schaffung eines selbsttätigen Lichtablaufes schon mit Rücksicht auf die Kostenfrage nur für mittlere und große Bühnenbetriebe in Frage kommen kann. Von ausschlaggebender Bedeutung für den praktischen Einsatz sei vor allem die Aufführungszahl, die eine Inszenierung erreicht. Der in der Praxis stehende Bühnentechniker wird technischen Neuerungen ganz allgemein immer etwas kritisch gegenŸüberstehen. Es sei denn sie bietet ihm Vorteile durch persönliche Entlastung und durch absolute Zuverlässigkeit. Die vom Autor in Vorschlag gebrachte Einrichtung sollte die eigentliche Regelanlage in ihrer bisherigen Form belassen. Es handelte sich also um eine zusätzliche Aufnahme- und Steuerapparatur, welche mit der vorhandenen Regelanlage lediglich durch entsprechende Seilzüge verbunden ist. Mit einer solchen Apparatur trete also während der Vorstellung an die Stelle der Bedienung des bisherigen Bühnenreglers eine Einknopfbedienung, das heißt der gesamte Lichtablauf wird von einem einzigen Hauptsteuerschalter aus geregelt. Der Autor hat im weiteren Verlauf ausführlich alle von ihm genannten Punkte erklärt und beschrieben, wobei zu bemerken bleibt, dass dies nur eine Ideenskizze darstellte, der keine realen Konstruktionsbeschreibungen beigegeben waren. Bereits im zweiten Doppelheft meldete sich von den Siemens-Schuckert- Werken – Berlin ein Ingenieur Friedrich Johannsmeyer mit einem ausführlichen Nachfolgeartikel, der beweist, dass das von Siemens nach dem Krieg in den Handel gebrachte elektrische Steuerungssystem für die Bühnenbeleuchtung, mit den von ihnen entwickelten lebenden Hebeln, bereits weit vor Kriegsbeginn in Entwicklung war. Dies ist fern bemerkenswert, als Siemens etwa 1938 in der Deutschen Oper in Berlin die Praxisversuche mit der Thyratronlichtsteuerung begann, welche ja eine elektrische Steuerung dieser Regelgeräte erforderte. Es heißt in dem Aufsatz: 

Der im März gemachte Vorschlag der Durchbildung eines selbsttätigen Lichtablaufes im Bühnenbetrieb ist von den Siemens-Schuckert- Werken bereits verwirklicht. Allerdings musste durch den Kriegsausbruch die Weiterarbeit an dem neu entwickelten System gestellt werden. Der neue vollelektrisch gesteuerte Bühnenregler mit einer vielfachen Voreinstellmöšglichkeit weicht von den bisher bekannten Bühnenreglern vollkommen ab. An Stelle des bisherigen Bühnenstellwerkes tritt nunmehr die Bühnenregelwarte, während als Gerät für die Lichtregelung im Anschluß an Wechsel- und Drehstromnetze die bisherigen Bordoniregler beibehalten werden. Besondere ŠGeräte für die Steuerung, Nachregelung und Wiederholung ergänzen das neue elektrische Regelsystem. Der Platz ist nicht mehr šörtlich an die Ausführbarkeit der †Übertragungsanlage durch Seile oder Gestängeantriebe gebunden. Die Verbindung zwischen den einzelnen Anlagenteilen erfolgt ausschließlich durch schwache elektrische Steuerleitungen. Jede mechanische Betätigung durch Seilzüge in der bisher Ÿüblichen Weise entfällt. Eine bestimmte Anzahl von Bedienungsmechanismen bilden die Grundform. Jeder einzelne Bedienmechanismus besitzt Einrichtungen, die gestatten, den von ihm betätigten Stromkreis beliebig zu Gruppen zusammenzuschalten und den Lichtablauf sowohl jeder Gruppe als auch einzelner Stromkreise der Gruppe in verschiedenen Geschwindigkeiten vorzunehmen. Um bei Proben Lichteinstellung und den Geschwindigkeitsablauf unabhängig von den Vorgängen in der Beleuchterloge beeinflussen zu können, kann von einem besonderen im Zuschauerraum eine stetige Nachregulierung erfolgen.

Mit dieser hier nur in großen Ausschnitten wiedergegebenen Beschreibung waren genau die Details der nach dem Krieg von Siemens auf den Markt gebrachten elektrischen Stellwartentechnik mit lebenden Hebeln als Produkt beschrieben worden. Linnebach hatte durch seine Veröffentlichungen auf dieses wichtige Projekt aufmerksam gemacht und damit vielleicht den Anstoß zu der rasanten Nachkriegsentwicklung auf diesem Gebiet gegeben.

Der Technische Sonderaufsichtsbeamte Dr.-lng. G. Dederböšck gab im letzten Heft der BTR Die Auswirkungen des 6. €Änderungsgesetzes in der Unfallversicherung auf Theaterbetriebe bekannt. Seit dieser Zeit besteht die Zuordnung der einzelnen Veranstaltungsbetriebe zu den jeweils dafür zuständigen Versicherungsträgern UV, BG, usw.).

Linnebach nahm in einem Rundschreiben kurz zu dem nunmehr 37. Jahrgang der BTR Stellung: 

Mit der vorliegenden Nummer beginnt die Zeitschrift ihren 37. Jahrgang im Zeichen des totalen Krieges. Die Bedeutung, die dem deutschen Theater diesem Krieg zukommt, ist groß, und der Bühnentechnik fallen in der Betriebsführung die schwersten Aufgaben zu. Somit ist ihr Organ von kriegswichtiger Bedeutung. Trotz aller Einschränkungen soll die Zeitschrift auf einer Höhe gehalten werden, die das Ziel der Weiterentwicklung aller Gebiete der Theatertechnik nie vergessen lässt. Persönliche Wünsche haben zurückzustehen vor den großen Aufgaben des deutschen Volkes, vor dem restlosen Einsatz Aller für den Sieg. …

 

Theatergeschichte

Im letzten Doppelheft des Jahrganges wurde des 1843 in Bessungen bei Darmstadt geborenen und 1906 in München verstorbenen Karl Lautenschlägers in einer längeren Laudatio gedacht. Außerdem berichtete Ernst Wagenbauer Technischer Direktor im Reichsgautheater Posen in zwei Aufsätzen ausführlich Ÿüber die Technische Aufbauarbeit im Reichsgautheater, vor allem Ÿüber die Arbeit in den sehr gut ausgerüsteten WerkstŠätten. 

Der Schriftleiter vermerkte unter anderem unter dem Aufsatz: 

Aus einem technischen Kleinbetrieb hat Wagenbauer unter den schwierigsten Verhältnissen eine Werksttätengroßanlage hervorgezaubert, die fast wie am laufe den Band die Ausstattungsarbeit bewältigt. Eine Organisationsübersicht zeigt den Umfang der dem technischen Direktor unterstehenden Abteilungen, wozu auch der Garderobenbetrieb gehört.

Durch die sich häufenden Luftangriffe auf deutsche Städte, wurden immer mehr Theatergebäude zerstört, beziehungsweise konnten nur noch teilweise bespielt werden. Die große Zeit der Provisorien begann und forderte von allen daran Beteiligten, sowohl dem künstlerischen als auch technischem Personal, erhöhten Einsatz an Ideen, Arbeitskraft und Zeit. 

Das Umfeld

Der zweite Weltkrieg ging in sein viertes Jahr und wurde für die Zivilbevölkerung immer unerträglicher. Die Verfolgung der Juden und anderer sogenannter minderwertiger Volksgruppen in den besetzten Ostgebieten hatte sich verschärft. Der Widerstand wurde heftiger. Im April/Mai kam es im Warschauer Ghetto zu einem Aufstand, an dem sich rund 60.000 Juden  gegen die Räumung des Ghettos und dessen Zerstörung durch die Waffen-SS wehrten. 

In der Zwischenzeit waren die Alliierten nicht untätig. Im Januar tagten Roosevelt und Churchill auf der Konferenz von Casablanca und beschlossen dabei: Eine vollständige, militärische Niederwerfung der Achsenmächte und deren Waffenniederlegung ohne jegliche politische Verpflichtungen der Sieger. Dieser Beschluss bedeutete die Grundlage für später erfolgte weitere Konferenzen, die dann auch mit der Sowjetunion, welche die Hauptlast der europäischen Kampfhandlungen zu tragen hatte, fortgeführt wurden.

Die Russen hatten außer den Kämpfen in und um Stalingrad auch an anderen Frontabschnitten der südlichen, mittleren und nördlichen Ostfront immer wieder Durchbrüche durch deutschen Linien erreicht und kesselten ganze Armeeteile ein. 

Ende Januar brach die bisherige Front im Südkessel zusammen. Anfang Februar kapitulierten die deutschen Truppen der 6. Armee im letzten noch von ihnen besetzten Teil Stalingrads. Rund 100.000 Mann waren gefallen, 90.000 Mann gingen in sowjetische Gefangenschaft.

Von diesem Zeitpunkt an befanden sich die deutschen Armeen im Osten auf dem Rückzug; hinter sich zerstörten sie – nach der Taktik der verbrannten Erde, Häuser, Fabrikanlagen, KulturgebŠäude und alle Verkehrswege. Noch im Laufe des Jahres eroberten die sowjetischen Truppen die gesamte Ukraine zurück.

 Mitte Februar rief Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast den Totalen Krieg aus.

Im Ausland entwickelte man alle möglichen Strategien, um der Kriegslage Herr zu werden. Roosevelt sagte in einer Rundfunkansprache unter anderem: 

Die einzige Bedingung, unter der wir mit einer Regierung der Achsenmächte oder irgendeinem der Mitläufer verhandeln, haben wir in Casablanca verkündet: Bedingungslose Kapitulation!

Im Mai erfolgte in Tunesien die Kapitulation des deutschen Afrikakorps unter Rommel mit 250.000 Mann. Damit war der Weg der Alliierten von SüŸden her offen, was dann im Juli mit der Landung ihrer Truppen auf Sizilien dazu führte, dass das faschistische Regime zusammenbrach. Mussolini wurde verhaftet und eingekerkert. Deutsche Fallschirmjäger befreiten ihn und er rief eine Italienische Sozialistische Republik unter seiner Führung in Norditalien aus, die aber bedeutungslos blieb. Im September schloß der italienische König mit den Alliierten einen Waffenstillstand Ÿüber das von ihnen besetzte Gebiet des südlichen Italiens. Mitte und Norden blieben zunächst unter deutscher militärischer Besetzung.

Die Bombenangriffe auf deutsche Städte verschärften sich mehr. Im Juli / August 1943 erfolgten 7 Angriffe auf Hamburg, davon 4 Großangriffe, die zusammen über 11 Stunden dauerten und Ÿüber 40.000 Tote unter der Bevölkerung forderten.

Ende November steckten Die Großen Drei in Teheran ihre gemeinsamen Kriegsziele ab. Roosevelt und Churchill mussten Stalins Absicht zustimmen, der Sowjetunion die im Herbst 1939 von ihr besetzten polnischen Gebiete zu übertragen. Ferner beanspruchte Stalin einen Teil Ostpreußens mit Königsberg. Polens Grenzen sollten entsprechend nach Westen verschoben werden. Das besiegte Restdeutschland wollte man aufteilen.


 

BTR Ausgaben 1943

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Heft 01 und 02

Heft 03 und 04

Heft 05 und 06