1945

Von einem Fachverband, beziehungsweise einer Verbandstätigkeit, im Berichtsjahr 1945 kann auch nicht berichtet werden. Wie nach dem Ersten Weltkrieg waren die Gesamtorganisationen der Berufsfachverbände, soweit sie nicht schon unter den Nationalsozialisten zerschlagen worden waren, bei Kriegsende nicht mehr existent.

Ein großer Teil der vor dem Krieg führenden deutschen Bühnentechniker waren aufgrund ihrer politischen Anpassung und der durch die Alliierten erlassenen Entnazifizierungsbestimmungen an einer weiteren Berufsausübung gehindert. Damit standen alle Theaterbetriebe, soweit sie nach dem Krieg überhaupt spielfähig waren, ohne verantwortliche Technische Bühnenvorstände da. 

Weil aber kein Veranstaltungsbetrieb ohne einen geprüften, verantwortlichen technischen Bühnenvorstand, Vorstellungen abwickeln durfte, befand man sich zunächst in einer ziemlich aussichtslosen Situation, und man besann sich bei den legislativen Stellen auf die nach dem Ersten Weltkrieg bereits einmal geübte Praxis sogenannter Befreiungsscheine. Mit einem an Hektik grenzenden Aktionismus wurden politisch unbelastete, aber fachlich einigermaßen zuverlässige Bühnenhandwerker oder Seitenmeister mittels dieser Befreiungsscheine zum Bühnenmeister oder Beleuchtungsmeister erhoben. 

Etwas anders war die Situation bei den Resten der niemals regulär ganz verboten gewesenen Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen (GDBA). Die überall versprengten Altmitglieder, welche wegen ihrer politischen Vergangenheit im Dritten Reich, in der GDBA ein unbeachtetes Mitgliedsdasein fristeten, versuchten, als unbelastet geltend, die Genossenschaft wieder neu aufzubauen.

Die militärische Niederlage und das Ende des Faschismus bedeuteten den Verlust der staatlichen Souveränität. Legislative und Exekutive gingen an die alliierten Mächte über, die in den vier Besatzungszonen nach den Gesetzen des Kontrollrates regierten und bis 1949 Einfluß auf Entscheidungen der wieder entstehenden deutschen Dienststellen nahmen. Während Theateroffiziere der einzelnen Besatzungsmächte das trotz 93 zerstörter Bühnengebäude rasch erstarkende Theatergeschehen förderten und kontrollierten, gründeten gleichzeitig alte Genossenschaftler, zunächst lokal begrenzt und zum Teil illegal, ihre alte Bühnengewerkschaft aufs Neue.

Die vorgenannten Umstände schufen organisatorisch, personell und sozial vollkommen neue Voraussetzungen für die wieder den Betrieb aufnehmenden Bühnen, was jedoch nicht bedeutete 1945 an einem Nullpunkt anzufangen. Es bestand allgemeiner Konsens darüber, dass das Theatersystem der zwanziger Jahre, inklusive einiger Änderungen, wie die seit 1938 eingerichtete Pflichtversicherung aller Bühnenmitglieder in der Münchener Zusatzversorgungskasse, reaktiviert werden sollte.

Die von den Alliierten eingesetzten Theateroffiziere und Kontrollabteilungen hatten die Aufgabe, die Spielpläne der Bühnen zu überprüfen, die bis in die Ensembles reichenden zentralistischen Strukturen der vormaligen Reichstheaterkammer aufzulösen und für die Demokratisierung des Theaterwesens sowie der Darsteller und Besucher zu sorgen. Kommunen und Länder sollten wieder die obersten Rechtsträger ihrer Theater werden.

Die Genossenschaft konnte in allen Besatzungszonen, zunächst allerdings in unterschiedlichsten Organisationsformen, wieder ins Leben gerufen werden. In Berlin, der Viersektorenstadt, sowie in der sowjetischen Besatzungszone bildete sie zusammen mit der Internationalen Artistenloge, dem Deutschen Musikerverband, dem Verband der technischen- und Verwaltungs- angestellten, dem Schutzverband Deutscher Autoren, dem Schutzverband der bildenden Künstler und dem Verband der Deutschen Presse die Gewerkschaft für Kunst und Schrifttum im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB).

In den westlichen Besatzungszonen war die Genossenschaft, nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit, in mehr oder weniger loser Form den dort bestehenden verschiedenen Gewerkschaftsverbänden angeschlossen worden. Eine endgültige Form ihres künftigen Organisationsaufbaues war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Das Gesetz Nr.31 des Alliierten Kontrollrates ließ eine Bildung von Gewerkschaften zunächst nur auf zonaler Basis zu.

Damit waren die Grenzen abgesteckt, unter denen eine genossenschaftliche Arbeit möglich wurde. Die GDBA legte wieder die Organisationsform der Berufsgruppenstruktur zugrunde. Alle Bühnentechniker, die vor der Nazizeit GDBA-Mitglieder waren, waren dadurch automatisch erfaßt. Das betraf auch diejenigen Technischen Bühnenvorstände der Deutschen Bühnentechnischen Gesellschaft, die ihre Mitgliedschaft bei der Genossenschaft behalten hatten. Aus dieser Situation erklärte sich, daß ein großer Teil deutscher Bühnentechniker der Vorkriegs- und der Nazizeit, wie Hemmerling, Linnebach und Unruh, zunächst nicht mehr aktiv werden konnten. 

Da durch die zeitlich unterschiedliche Besetzung der verschiedenen deutschen Länder und Gemeinden durch die alliierten Truppen ein unterschiedliches Kriegsende bestand, erfolgten auch die Wiederauflebensbemühungen eines bescheidenen Kulturlebens entsprechend unterschiedlich.

Wenn sich auch das Theatergeschehen aufgrund örtlich unterschiedlicher Gegebenheiten nicht überall gleich erfolgversprechend entwickeln konnte, zeigte sich doch von Anbeginn, dass das Theater einen unverzichtbaren Bestandteil des Lebens in Deutschland ausmachte, und man trotz aller nach kriegsbedingten Mangelerscheinungen und dem Einfluß der Besatzungsmächte, keinesfalls auf einen hochwertigen Theaterabend verzichten wollte. Die Bevölkerung war nach all den Kriegsereignissen regelrecht ausgehungert nach Theater, obwohl die einfachsten Dinge zum Leben fehlten wie Lebensmittel, Heizung, Energie (Stromversorgung) und nicht zuletzt die Wohnumstände.

In den sowjetisch besetzten Landesteilen kam diese Entwicklung bedeutend schneller voran, als es im Westen aufgrund der dort anders gelagerten politischen Ausgangssituation durch die Besatzungsmächte überhaupt zu ermöglichen war.

Das Umfeld

Vom 4. bis 11. Februar fand in Jalta eine Konferenz der Kriegsalliierten Sowjetunion, Großbritannien und Amerika unter Stalins Leitung mit Außenminister Molotow statt, an welcher von westlicher Seite Churchill mit seinem Außenminister Eden und Präsident Roosevelt mit seinem Außenminister Hull teilnahmen. Es ging dabei in erster Linie um die bedingungslose Kapitulation der Achsenmächte ohne politische Verpflichtungen für die Siegermächte. Außerdem wurde die spätere Einteilung eines besetzten Deutschlands in einzelne Besatzungszonen angesprochen. Die endgültige Festlegung sollte einer weiteren Konferenz der Alliierten nach der deutschen Kapitulation vorbehalten bleiben. Diese fand 8. Mai mit folgender Erklärung statt:

Das Oberkommando der Wehrmacht hat heute auf Befehl des Großadmirals von Dönitz, seit Hitlers Selbstmord deutsches Staatsoberhaupt, die bedingungslose Waffenstreckung aller kämpfenden deutschen Truppen erklärt. Deutschland ist gezwungen zu kapitulieren wegen des völligen Zusammenbruchs aller seiner Streitkräfte. Wir müssen Recht und Gesetz als Grundlage aller internationalen Beziehungen anerkennen. Wir müssen an sie glauben und sie aus innerer Überzeugung heraus achten.

Der Krieg in Europa hatte sein Ende gefunden.

Vom 17. Juli bis 2. August fand die Potsdamer Konferenz der Siegermächte statt. Diese Gipfelkonferenz der Großen Drei in Potsdam an der Truman (als Nachfolger Rossevelts), Stalin und zunächst Churchill, dann sein Nachfolger Attlee teilnahmen, brachte im Potsdamer Abkommen noch einmal gemeinsame Absichtserklärungen, welche aber bald unterschiedlich ausgelegt und realisiert wurden. Die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen (amerikanisch: Bayern, bayerische Pfalz, nördlicher Teil von Württemberg und Hessen; britisch: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Bremen; Schleswig-Holstein; französisch: Südbaden, Rheinland Pfalz und Saargebiet; sowjetisch: Thüringen, Sachsen, Sachsenanhalt, Brandenburg, Mecklenburg Vorpommern.) geschah reibungslos. Auch die Schaffung des für alle Besatzungszonen zuständigen Alliierten Kontrollrates in Berlin, sowie die Aufteilung dieser Stadt in vier Sektoren erfolgte, nach Rückzug der Amerikaner aus Thüringen, Sachsen und Sachsenanhalt ohne weitere Probleme der Alliierten.

Nicht zustande kam die Einrichtung von zentralen deutschen Verwaltungsämtern, obwohl das Potsdamer Abkommen bestimmte, dass Deutschland als einheitliches wirtschaftliches Ganzes betrachtet werden sollte. Auch die vier allgemeinen Ziele, die vier D‘s des Potsdamer Abkommens: Denazifizierung, Demilitarisierung, Demontage, Demokratisierung wurden von den Besatzungsmächten in den vier Zonen unterschiedlich verfolgt. – Einigkeit herrschte lediglich darüber, dass die UdSSR die infolge des Hitler-Stalinpaktes erworbenen Gebiete behalten, Polen dafür im Westen (Schlesien, Westpreußen und südliche Teile Ostpreußens) entschädigt werden sollte. Die Westmächte erklärten sich bereit, die östlich von Oder und Neiße gelegenen deutschen Gebiete unter polnische Verwaltung zu stellen, während das Gebiet um Königsberg (nördliches Ostpreußen) der UdSSR überlassen blieb. Eine endgültige Regelung der deutsch-polnischen Grenze sollte erst auf einer Friedenskonferenz folgen. 

Darüber hinaus vereinbarten die Siegermächte, dass die deutsche Bevölkerung, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben war, nach Deutschland übersiedeln sollte.

Am 16. August erklärte Churchill, der inzwischen Führer der Opposition im englischen Unterhaus geworden war, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich hinter dem Eisernen Vorhang, der jetzt Europa teile, eine Tragödie ungeheuren Ausmaßes entfalte. Der Begriff des Eisernen Vorhanges für alle Gebiete ostwärts der Elbe und Saale sollte zu einem Standardbegriff im Sprachgebrauch werden.

Mit der neuen Oder-Neißegrenze reichte der Einflussbereich des Sowjetkommunismus, unmittelbar bis nach Westen an die Elbe.

Ein wichtiges Ereignis der ersten Nachkriegsmonate, war die Gründung der Charta der Vereinten Nationen (UNO United Nations Organization) mit damals 50 Mitgliedern, welche am 24. Oktober in Kraft trat. Die Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, für die Erhaltung des Weltfriedens zu sorgen, auf Gewalt in der politischen Auseinandersetzung zu verzichten und für die Achtung der Menschenrechte einzutreten.

Politische Entscheidungen sollten im Sicherheitsrat getroffen werden. Ihm gehörten als ständige Mitglieder die fünf Großmächte: USA, England, UdSSR, Frankreich und China an.

Die Entnazifizierung in Deutschland sollte nach dem Potsdamer Abkommen der völligen Umgestaltung des politischen Lebens in Deutschland dienen. Die Art und Weise, wie diese Maßnahmen: Verhaftungen und Einweisung in Internierungslager, Überprüfungen der Ämter und Verwaltungen, Einleitung einer Schulreform, Beginn von Entflechtungen und Enteignungen in der Großindustrie, Großbanken und Großgrundbesitz in den jeweiligen Besatzungszonen durchgeführt wurden, bewiesen jedoch bald, dass unterschiedliche gesellschafts- und machtpolitische Ziele durchgesetzt wurden.

So wurde durch die Sowjetische Militäradministration (SMAD) am 17. Mai bereits der Magistrat von Groß-Berlin gebildet. Am 10. Juni folgte in ganz Berlin und der SBZ auf Veranlassung der SMAD die Bildung antifaschistischer, demokratischer Parteien. In der Zeit vom 4. JuIi bis 16. Juli erfolgte die Einsetzung von Länder- und Provinzialverwaltungen.

Die neu entstandenen deutschen Verwaltungen mußten vor allem gegen die wirtschaftliche Not angehen. Die Bevölkerung hungerte. In den Städten, von denen viele zerstört waren, gingen die Vorräte zu Ende; Flüchtlinge überfüllten die Dörfer und Kleinstädte, die weniger kriegsbeschädigt waren. Nahrungsmittel und Kleidung gab es nur mit Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen. Tauschhandel und Schwarzmarkt blühten; Hamsterfahrten aus den Städten auf das umliegende Land wurden zur Alltagsbeschäftigung.
Die CARE-Pakete aus den USA, konnten nur vereinzelt die schlimmste Not lindern. Es fehlten, wegen der Bombenschäden, Wohnungen. In Bezirken, welche nicht so stark beschädigt waren, wurden die erhalten gebliebenen Wohnungen zusätzlich mit Flüchtlingen “zwangsbelegt“.

Helden dieses zermürbenden Überlebenskampfes gegen Hunger und Entbehrungen waren die Frauen, da die Männer zum großen Teil noch in Kriegsgefangenschaft oder Internierung weilten. Viele leisteten als Trümmerfrauen bei der Beseitigung der Kriegsfolgen (Enttrümmerung) in den Städten schwerste körperliche Arbeit bei ungenügender Ernährung.

In der Theatertechnik war alles, was mit dem Fachgebiet zu tun hatte, auf dem Nullpunkt angelangt, da die Siegermächte jede noch so kleine oder unbedeutende Erfindung, wie auch die damit beschäftigten deutschen Wissenschaftler außer Landes geschafft hatten.

Nach dem Ende des Krieges wurde in den USA und der Sowjetunion, England, Frankreich sowie anderen Staaten die Kernforschung weitergeführt. Man wandte sich nun in erster Linie friedlicher Nutzung zu, welche der Energieversorgung dienen sollte, obwohl besonders in den USA und der UdSSR die militärische Nutzung Vorrang behielt.

Auf dem Computergebiet setzte unmittelbar vor Ende des Krieges, besonders in den USA, ab 1944 eine rasante Entwicklungstätigkeit ein. Vor allem der unersättliche Bedarf an schnellen Rechnern der zentralen ballistischen Rechenabteilung der US-Streitkräfte sorgte dafür.

Das Fachgebiet der elektrischen Regelung in der Beleuchtungstechnik, drängte unmittelbar nach Kriegsende mit Macht aus Großbritannien auf den deutschen Markt.

Wobei das Vordringen sehr relativ gesehen werden muß, weil die meisten deutschen Theater beschädigt oder total zerstört waren, und man zunächst wesentlich andere Sorgen als den Wiederaufbau von Theatern hatte. Trotzdem war die Entwicklung gerade dieser Technologie eines der wichtigsten Kapitel der nächsten Jahre im Veranstaltungsbereich.

Für das vorliegende Berichtsjahr erschöpfen sich damit die Themen aus Forschung und Wissenschaft, weil die allgemeinen Überlebensstrategien absoluten Vorrang hatten.