Der Fachverband
Nachdem im Jahr 1949 durch die verschiedenen Initiativen der Münchener Bühnentechnischen Tagung die Verbands-, beziehungsweise Berufsgruppenarbeit der nunmehr neu benannten Berufsgruppe Ausstattung, Technik und Verwaltung in der GDBA eine gezielte Arbeitsrichtung erhalten hatte, konnte man trotz aller politisch bedingten Schwierigkeiten im geteilten Deutschland wieder von einem geglückten Neuanfang der theatertechnischen Programmarbeit nach Kriegsende sprechen. Die ersten Erfolge der im Vorjahr begonnenen Arbeiten konnte vermeIdet werden.
Dazu gehörte zunächst das durch den unermüdlichen Einsatz von W. Unruh ermöglichte Wiedererscheinen der Bühnentechnischen Rundschau mit dem ersten kompletten, nunmehr 40. Jahrgang von 6 Heften/Jahr. Dieser Anfang mit 24 Seiten pro Einzelheft war zwar sehr bescheiden, aber vollgepackt mit vielen nur erdenklichen Berichten, Meldungen, Notizen, Personendaten usw. Man wurde damit dem vom Herausgeber und Schriftleiter verfaßten Aufruf gerecht, der da lautete:
Nach 5 Jahren erscheint mit dem vorliegenden Heft die Bühnentechnische Rundschau wieder regelmäßig, in einer Zeit, in der die technischen und wirtschaftlichen Probleme des Betriebes und Baues von Theatern im Mittelpunkt ihrer Existenzfrage stehen. Der Augenblick und die Zukunft fordern die Klärung von Problemen, die Bekanntgabe von Erkenntnissen, die Diskussion von Anregungen. Aus dem seit 40 Jahren bestehenden Fachblatt der Berufsgruppe technischer Bühnenvorstände und Bühnenbildner soll sich eine “fachwissenschaftliche Zeitschrift“ entwickeln, als aller an der Bühnentechnik interessierten Kreise.
Als weiteres wichtiges Ereignis wurde im ersten Heft des Jahrganges ein ausführlicher Hinweis auf die vom Montag, dem 31. Juli bis Mittwoch, dem 02. August vorgesehene 26. Bühnentechnische Tagung in Berlin gegeben, welche als gemeinsame Fachtagung der Bühnenbildner, Technischen Vorstände, Maskenbildner, Theaterarchitekten und der Vertreter der Theaterindustrie aus allen vier Zonen und Groß-Berlin, bezeichnet wurde. Tagungsort war der technische Bereich der Städtischen Oper in der Bismarckstraße vorgesehen. Der Spielbetrieb der Oper befand sich wegen der Zerstörungen des Haupthauses im “Theater des Westens“ in der Kantstraße.
Im Zusammenhang mit dieser Ankündigung wurde als besonderer Anreiz für die Teilnehmer auf die ab 25. Juli durch das Internationale Theaterinstitut (ITI) Paris in den Räumen der Mission Culturelle de France, Berlin Kurfürstendamm Ecke Uhlandstraße stattfindende Internationale Ausstellung Theaterarchitektur verwiesen. Ein Ereignis, welches durch die Initiative Unruh’s mit dem ITI und dem Westberliner Senat zustande gekommen war.
Mit diesen und anderen Bemühungen wurde die Reaktivierung der deutschen Theatertechnik auf dem internationalen Parkett durch Unruh vorangetrieben, der aufgrund seiner Vorkriegsverbindungen dazu die Voraussetzungen besaß. So war er auch mit Hilfe des Deutsche Bühnenvereins und anderer für das Theater politisch wichtiger Institutionen in der Lage, eine Anbindung der deutschen Theater an das Internationale Theaterinstitut Paris voranzutreiben. Auch diese Bemühungen waren von Erfolg gekrönt, indem die Bundesrepublik Mitglied im ITI wurde und damit auch die deutsche Theatertechnik wieder in den internationalen Bereichen dieses Fachgebietes Mitsprache erhielt.
Das Ganze wurde für deutsche Theatertechniker und am Theater interessierte Kreise mit einem Aufruf im zweiten Heft der BTR unterstützt:
Das Internationale Theaterinstitut wird vom 19. bis 29. Juni einen III. Internationalen Kongress in Paris veranstalten. 21 Nationen werden mit Sitz und Stimme vertreten sein. Diese Tagung wird sich ganz besonders mit dem durch die Zerstörungen so vieler Bühnenhäuser durch die Kriegseinwirkungen dringlich gewordenen Problemen der Theaterarchitektur befassen und der Neugestaltung des Bühnenraumes, der den heutigen Anforderungen, welche die moderne Dramaturgie und Regie stellen, nicht mehr voll gerecht werden kann.
Als Redner sind bis jetzt gemeldet: Norman Marshal (England), W. Unruh (Deutschland) und A. Lauterer (USA) zum Thema: “Bedeutung der Bühnenmaschinerie und ihre Verwendung“. Über die “Bühnenbeleuchtung“ wird J. Wood (England) sprechen; über die “Verwendung neuer Materialien“ L. de Koninck (Belgien) und über “Baupolizeiliche Sicherheitsvorschriften Oberst Maruelle (Frankreich). Ein noch später zu benennender Experte wird sich über die “Akustik“ äußern. Ferner werden André Barsacq (Frankreich), Professor O. Niedermoser (Österreich) und Hans Jacob Nielsen (Norwegen) das Problem der modernen Raumbühne behandeln unter dem Thema: “Raumverhältnisse und Raumaufteilung des Zuschauerraumes“. – Mit den Vorträgen wird eine internationale Ausstellung “Theaterarchitektur“ verbunden.
Die deutsche Fachwelt hat durch reiche Beschickung der Ausstellung mit Plänen und Modellen, durch die Anmeldung der namhaftesten Theaterarchitekten und Fachleute ihr besonderes Interesse bewiesen. Diese Pariser Ausstellung wird ab Ende Juli in Berlin, im “Maison de France“ am Kurfürstendamm gezeigt werden.
Aus diesem Aufruf ging deutlich hervor, dass Unruh bestrebt war, die deutsche Theatertechnik wieder in die Verantwortung zu bringen, was ihm auch gelang, wie die weitere Entwicklung bewies. Außerdem kam dadurch die theaterbeliefernde Industrie wieder ins Geschäft. Trotz durchaus vorhandenen auch persönlichen und wirtschaftlichen Interessen der unmittelbar Beteiligten kamen die fachwissenschaftlichen Dinge, welche durch den Krieg brach gelegen hatten, endlich wieder in Bewegung. Das war nach dem Totalverlust alles Deutschen im internationalen Bereich durch den zweiten Weltkrieg schon sehr bemerkenswert.
Die Durchführung der Bühnentechnischen Tagung lag, wie bisher bei der Berufsgruppe Ausstattung, Technik und Verwaltung der GDBA und, was neu war, in der Verantwortung des Fachnormenausschusses Theatertechnik im Deutschen Normenausschuss (DNA). Damit hatte Unruh, dem es bis dahin noch nicht gelungen war, einen neuen, zonenübergreifenden Fachverband aufzubauen, ein fachwissenschaftliches Gegengewicht zu den mehr gewerkschaftlich orientierten Tagesordnungen solcher Veranstaltungen der GDBA erreicht. Die Wichtigkeit dieser Maßnahme kam auch in der Positionierung des Themas Normung zum Ausdruck.
Der Hauptpunkt der Tagesordnung war die Vollversammlung des Fachnormenausschuss Theatertechnik im DNA, an den sich ausführliche Arbeitssitzungen der einzelnen Arbeitsausschüsse anschlossen. Es lagen zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Theatertechnik, ordnungsgemäß erstellte Normblattentwürfe zur Bearbeitung vor. Der Autor dieser Geschichte der DTHG, Jochen Perottet kam damals mit einer Arbeit in Berührung, die später sein Berufsleben maßgeblich bestimmen sollte, denn er begann seit dieser Tagung intensiv an zu erstellenden Normen der Theatertechnik mitzuarbeiten.
Am Abend des Ankunftstages der Teilnehmer war ein kameradschaftliches Beisammensein der bereits Eingetroffenen angesetzt worden. Es ging bei diesen Gesprächen sehr ausgiebig um den Führungsnachwuchs der Theatertechnik, zu der sich der Autor damals noch rechnen musste. Die Altvorderen lobten sich für ihre Bemühungen um den Nachwuchs. Von Jüngeren wurden sie anhand negativer Praxisbeispiele ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt, da sie ihnen diverse Versäumnisse in dieser Hinsicht aus den letzten Jahren der Vorkriegszeit anlasten konnten, Besonders von den Unternehmern (Adolph, Hagedorn, Harleß, Reiche, Vogel u.a.) der theaterbeliefernden Industrie erhielten damals Lob und Unterstützung. Diese Aussprache hat später manche Dinge der Berufsausbildung in neue Bahnen gelenkt und damit einen entscheidenden Einfluß auf das weitere Vorgehen in dieser Sache bewirkt.
Der Nachmittag des ersten Tages war der Ausstellung Theaterarchitektur im Maison dc France gewidmet, dem auch eine Ausstellung Berliner Bühnenbildner von Werken französischer Autoren“ angeschlossen war.
Am Vormittag des zweiten Tages gab es Berichte des Gruppenrates der GDBA, über den 3. Kongress des lTl in Paris und einige Fachvorträge. Mittags erfolgte als Abschlusssitzung die Beschlussfassung zu den Einzelarbeitsgebieten des FNTh‘s, womit noch einmal das Normenthema hervorgehoben wurde. Einer Einladung der AEG am Nachmittag folgte am dritten Tag noch die Besichtigung des Kraftwerkes West, eine Rundfahrt zu den Berliner Theatern in Ost und West und eine Bootsfahrt auf dem Wannsee. Diese 26. Bühnentechnische Tagung, unter der Leitung von Leo Skodik und Hermann Mendt war dann für lange Zeit die letzte gemeinsame Veranstaltung von Ost- und Westkollegen und gilt deshalb als besonders markant.
In Heft 5 der BTR wurden die zunächst in Angriff genommenen Normen der Theatertechnik aufgezählt. Es waren dies: 56 900 – Grundnormen der Theatertechnik (ein Verzeichnis); 56 901 – Bühnengerüste (Podestmaterial); 56 902 – Bezeichnungsschild für Bühnenleuchten (Scheinwerferkennzeichnung); 56 903 – Zweipolige Gerätesteckdose 15 A/250 V für die Bühnenbeleuchtung (die sogenannte Schwabesteckdose); 56 904 – Zweipoliger Gerätestecker 15 A/250 V für Bühnenbeleuchtung (Schwabestecker); 56 905 – Zweipoliger Gerätestecker 60 A/250V für Bühnenbeleuchtung (Eberlstecker); 56 906 – Zweipolige Gerätesteckdose 60 A1250V für Bühnenbeleuchtung (Eberldose); 56 907 – Mechanische Verriegelung zu Steckvorrichtung 15 A 250V; 56 908 – Vorrichtung zur Befestigung der Lichtwerfer (Scheinwerfer).
Alle vorgenannten Normenentwürfe haben in abgewandelter Form noch heute Gültigkeit. Darüber hinaus wurden behandelt: Prospektzüge, Farbscheibenrahmen, Stative, Bühnenbohrer und eine Farbskala mit Bezeichnungen für Farbfilter. In Zusammenarbeit mit dem VDE wurde die VDE-Vorschrift 0108 für Theateranlagen überarbeitet. Man kann daraus ersehen, wie wichtig diese grundlegenden Arbeiten damals waren, da man im Berufsalltag der Veranstaltungstechnik noch heute damit zu tun hat.
Zwei weitere wichtige Meldungen zum Thema Normung fallen auch in dieses Berichtsjahr. Der Fachnormenausschuss Kinotechnik, dort besonders die Ausschüsse für Studiotechnik und Studiobeleuchtung, schlug vor, die vor, die vom FNTh ausgearbeiteten Normen für Bühnenstecker (56 903 bis 56 907) auch für die in den Filmateliers benutzten Scheinwerferanschlüsse zu übernehmen.
Das Internationale Theaterinstitut (ITI) Paris, plante in Verbindung mit der Association Francaise de Normalisation (AFNOR, nationaler Französischer Normenausschuss = DNA) einen Ausschuss zur Bearbeitung internationaler Normen für theatertechnische Einrichtungen, die insbesondere für Auslandsgastspiele Erleichterung bringen sollten. Vorschlagende waren der französische Bühnenbildner André Boll und Walter Unruh von deutscher Seite. Mit diesem Vorstoss war der Grundstein gelegt zu den späteren Euronormen, welche einheitlich in allen 16 Ländern der EU gelten.
Im Rahmen der Arbeiten des Fachnormenausschuss Theatertechnik (FNTh) war unter anderem auch die Aufgabe gestellt, die Bezeichnung und Kennzeichnung von Theaterfarben und von Farbfiltern für die Bühnenbeleuchtung einheitlich festzulegen und zu normen. Diese Arbeiten wurden durch einen Arbeitsausschuss des FNTh in Zusammenarbeit mit dem Fachnormenausschuss Farbe des DNA durchgeführt. An diesem Fachgebiet hat der Autor der Geschichte der DThG ab 1950 intensiv mitgearbeitet und ein paar Jahre später die Leitung dieses Arbeitsausschusses übernommen.
Ein Artikel über die Ausstellung Theaterarchitektur des ITI Paris befasste sich unter anderem mit Arbeiten, die entweder in der Ausführung oder vor deren Beginn standen. Der Autor schrieb dazu:
Der schöpferisch geistige Gehalt der Planungen war kritisch betrachtet, sehr ernüchternd. Gezeigt wurde lediglich der heilige Typus des 2- oder 3-Rangtheaters, wobei dessen Widersprüche und Unmöglichkeiten so deutlich wie nur möglich festgestellt werden konnten. Von einer überragenden Lösung des Proszeniums zur Verbesserung des so verpönten Guckkastens war und konnte nichts zu sehen sein Es ist an der Zeit, dieses nahezu wichtigste Problem des Theaterbaus Die Gestaltung der Vorhangzone mutig an der Wurzel zu fassen.
Diese Ausführungen deckten sich mit der Meinung vieler junger Berufskollegen von damals und gaben wahrscheinlich den Anstoss, dass von da ab neuartige Vorschläge für die Theaterwiederaufbauten in Deutschland und der übrigen Welt in den Vordergrund traten.
Ein anderer, mittlerweile führender Theatertechniker Adolf Zotzmann hatte sich im Gegensatz zu Unruh in erster Linie sozialtariflichen und Rechtsfragen innerhalb der Berufsgruppe gewidmet, da er aufgrund seiner Herkunft als Bühnenhandwerker der Gewerkschaftsarbeit sehr nahe stand und deshalb die besten Voraussetzungen dafür mitbrachte. Er hatte sich mit einer Arbeitsgruppe der Revision der Prüfungsordnung für Technische Bühnenvorstände gewidmet und seine Gedanken dazu in einem ausführlichen Bericht gleich im Heft der BTR dieses Jahres veröffentlicht, der das Beratungsergebnis der Münchner Tagung darstellte. Diese Überarbeitung war dringend geboten, weil 1941 durch das Reichsministerium des Inneren die bis dahin gültigen Prüfungsordnungen der Länder außer Kraft gesetzt worden waren und man eine reichseinheitliche Polizeiverordnung über die Prüfung der Technischen Bühnenvorstände erlassen hatte. Da Gesetze nationalsozialistischen Inhaltes nicht bestehen bleiben konnten und mit ihrer Wirkungskraft auf die wiedergegründeten Länder übergingen, blieben sie aber wegen nicht vorhandener Neuregelungen noch in Kraft und wurden durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Hamburg vom 28. Juni 1949 vorerst bestätigt. Zotzmann und seine Kollegen waren aber der Meinung, dass die Prüfungsordnung kein Ländergesetz bleiben dürfe, sondern Bestandteil der zu erlassenden Bundesgesetze werden müsse. Der Tarifausschuss der GDBA und der Deutsche Bühnenverein wollten eine entsprechende Vereinbarung herbeiführen und hofften die Empfehlung baldigst verwirklichen zu können. Doch dem stand zur Zeit der Münchener Tagung noch die Zonenteilung im Wege. In der SBZ zum Beispiel hatte man bereits eine Überarbeitung der bisherigen Prüfungsordnung vorgenommen und diese von der gesetzgebenden Wirtschaftskommission inzwischen mit dem Titel: Bestimmungen über Technische Bühnenvorstände vom 5. Mai 1949 in Kraft gesetzt.
Nachdem es Unruh gelungen war sein mit Hansing erarbeitetes Hilfsbuch der Bühnentechnik beim Carl Marold-Verlag in Halle a d. Saale überarbeitet neu aufzulegen, brachte er in Lexikon-Form auf 140 Seiten ein Sachwörterbuch mit rd. 1000 erläuternden Aufsätzen und Erklärungen als Ergänzung zur vor- stehenden Neuauflage heraus, welches ebenfalls auf großes Interesse in Fachkreisen stieß. Er hatte damit zum ersten Mal ein fachtechnisches Wörterbuch über das Spezialgebiet des Theaters geschaffen, auf dessen Grundlage alle späteren Lexika und Wörterbücher dieser Art, wie zum Beispiel das 1959 von Richard Southern für das ITI Paris entwickelte International Vocabulary of technical Theatre Terms in acht Sprachen (Amerikanisch, Holländisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch Spanisch und Schwedisch) oder das heutige New Theatre Words entstanden. Unter der Überschrift: Theatertechnik Hochschulfach erschien im Dezemberheft (6) der BTR ein kurzer Hinweis, dass Dipl.-Ing. Walther Unruh, der Herausgeber und Schriftleiter der BTR ab Wintersemester 1950/51 Lehraufträge über Theatertechnik an der Technischen Universität (Architekturabteilung) in Berlin-Charlottenburg und an der Freien Universität (Theaterwissenschaftliches Institut) in Berlin-Dahlem erhalten habe. Unruh verstand es, das stark fachwissenschaftlich geprägte Spezialwissen eines Diplomingenieurs in die allgemein verständliche Sprache von Theatertechnikern zu übertragen und damit verständlich werden zu lassen. Ihm bleibt das Verdienst die Deutsche Theatertechnik weltweit durch seine fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen, seine Behandlung spezieller Themen in allgemeinverständlichen Essays und Vorträgen so publik gemacht zu haben, dass man aus den Erkenntnissen und Erfahrungen der deutschen Theatertechnik international profitierte. Das war das bedeutendste Verdienst der Unruh‘schen Lebensarbeit.
In Heft 4 der BTR wurde über den Wiederauf- und Umbau des Berliner Schillertheaters berichtet. Man fand Gegenüberstellung der Ursprungsfassung 1907 und des 1938 erfolgten Umbaus, zum vorliegenden Entwurf mit der Vergrößerung des Rangs und Veränderung der Raumform.
Am 27. September wurde das Theater der Hansestadt Bremen (Goethe-Theater) nach zweijähriger Bauzeit wieder eröffnet. Das Theater bildete den Ersatz für das zerstörte alte Opernhaus am Wall und diente zunächst beiden Kunstgattungen, Oper und Schauspiel. Da Unruh bei diesem Bau für die theatertechnische Planung verantwortlich zeichnete, widmete er dem neuen Haus in der BTR mehrere Aufsätze. Die von ihm entwickelten Lichtfahrstühle für die Bühnenbeleuchtung bewährten sich allerdings in der Praxis nicht wie erwartet und wurden später baulich wieder entfernt.
Zu einem ausgeschriebenen Wettbewerb für den Neubau des Nationaltheaters Mannheim waren 39 Entwürfe eingereicht worden. Dieser Ideenwettbewerb der Stadt Mannheim sollte die Grundlage für die weiteren Beratungen zum Wiederaufbau bilden, dessen Verwirklichung sich aber über Jahrzehnte erstrecken sollte.
Mit diesen Meldungen soll das Berichtsjahr 1950 im Fachbereich Theater abgeschlossen werden. Es brachte Konsolidierung in verschiedenen Gebieten der Theatertechnik und erlaubte dadurch ein doch positiven Ausblick auf die kommenden Jahre des Wiederaufbaus.
Das Umfeld
Das vorliegende Berichtsjahr ließ sich zunächst verhältnismäßig ruhig an. Aber einige die politische Entwicklung beeinflussende Ereignisse dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Als Folge der von Ludwig Erhard eingeleiteten Sozialen Marktwirtschaft machte das Wirtschaftswachstum“ einen beachtlichen Sprung. Industrialisierung und Produktivität der Wirtschaft hatten zugenommen, der allgemeine Lebensstandard der Bevölkerung war erheblich gestiegen. Der durch den Krieg völlig zum Erliegen gekommene Export hatte sich wieder erholt und vervielfacht. Die Investitionen im Wohnungsbau, bei öffentlichen Einrichtungen, sowie das Durchschnittseinkommen waren stark gestiegen. Fast ein Drittel der Bevölkerung besaß bereits ein eigenes Auto. Die Eingliederung von ca. 7 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen in das Alltagsleben der Bundesrepublik hatte maßgeblich zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Sie wurden durch den sogenannten “Lastenausgleich“ derer unterstützt, die ihre Vermögenswerte durch den Krieg nicht verloren hatten, was damals vornehmlich den westdeutschen Teil der Bevölkerung betraf.
Anders sah es mit der Deutschen Demokratischen Republik aus, der von Seiten des Westens zunächst die politische Anerkennung versagt blieb. Hinzu kam, dass die Bundesrepublik in ihrem Grundgesetz ausdrücklich das Vereinigungsgebot beider deutschen Staaten festgeschrieben hatte, sich als rechtmäßiger Nachfolger des untergegangenen Deutschen Reiches betrachtete und deshalb eine offizielle Anerkennung der DDR prinzipiell ausschloss. Das hatte natürlich auch Nachteile für die BRD, denn die von UdSSR gegründete und dem Ostblock einverleibte DDR verzichtete wohlweislich auf die Nachfolgestrategie des Deutschen Reiches, weil ihr dadurch alle Schadensersatzforderungen der Verfolgten des Naziregimes, insbesondere die Wiedergutmachung an den Juden weltweit, erspart blieben. Die DDR betrachtete sich unabhängig von der Vergangenheit, als erster sozialistischer, demokratischer Arbeiter und Bauernstaat auf deutschem Boden und war ein von Anfang an totalitär regierter Staat. ParteikontrolIkommissionen säuberten die noch junge Partei radikal; allein 1950 wurden über 150.000 Mitglieder ehemalige Sozialdemokraten, ausgeschlossen. Die führende Rolle der UdSSR und der von ihr eingesetzten SED, musste allgemein anerkannt werden. Als politisches Glaubensbekenntnis galten die „Lehren von Marx- Engels – Lenin- Stalin“. Wer andere Meinungen vertrat oder äußerte, wurde strafrechtlich verfolgt. Vor diesem Hintergrund wurde Walter Ulbricht am 25. Oktober 1950 zum Generalsekretär der Partei ernannt.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der DDR waren ungünstiger als im Westen. Die Grundstoff- und Schwerindustrie fehlte weitgehend. Viele Betriebe wurden nach Kriegsende demontiert und als Reparationsleistungen in die UdSSR geliefert. Was blieb wurde zum größten Teil enteignet und verstaatlicht. Die staatlichen Planungsbehörden mussten ausschließlich nach sowjetischem Vorbild arbeiten. Als wichtigste Regierungsmaßnahme stand die Förderung der Schwerindustrie im Mittelpunkt aller Bestrebungen. Sozialistische Wettbewerbe, Erfüllung und Übererfüllung der gesetzten Arbeitsnormen, Auszeichnung sogenannter Aktivisten und Neuerer sollten die Werktätigen zu äußerster Leistung an treiben. Die Grundlebensmittel mussten zunächst weiter rationiert bleiben und konnten nur auf Bezugsausweise / Lebensmittelkarten bezogen werden. Diese schlechte wirtschaftliche Lage des Einzelnen und der verstärkte Druck von Partei und Staat trieb viele Einwohner der DDR zur Flucht nach dem Westen.
Inzwischen gab es außer den europäischen Reibungsflächen noch andere politische Krisenherde in der Welt. Die USA hatten Korea, südlich des 37. Breitengrades, als Besatzungszone verwaltet, aber nach Bildung einer südkoreanischen Republik ihre Truppen weitgehendst abgezogen. Die Nordkoreaner, unter rotchinesischem und sowjetischem Einfluss stehend, griffen am 25. Juni 1950 Südkorea mit ihren Truppen an. Damit begann der drei jährige Koreakrieg. Er forderte allein in Südkorea über 1 Million Tote und Verwundete und führte schließlich zu einem unentschiedenen Ausgang.
Angesichts dieser Ereignisse hielt der NATO-Rat einen deutschen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik für unerläßlich, um Westeuropa mit Aussicht auf Erfolg militärisch verteidigen zu können. In der SBZ war bereits 1948 mit der Aufstellung einer Kasernierten Volkspolizei begonnen worden, welche einen rein militärischen Status erhielt.
In der westdeutschen Öffentlichkeit und im deutschen Bundestag gab es stürmische Debatten über die Einrichtung einer Bundeswehr. CDU und FDP waren für eine Wiederbewaffnung, die SPD war besorgt und mehrheitlich dagegen. Auch die öffentliche Meinung im Ausland war dazu gespalten. Eine geplante Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte zunächst an den Einsprüchen des französischen Parlaments dem eine wieder aufgerüstete Bundesrepublik äußerst suspekt erschein.
BTR Ausgaben 1950
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