1954

Der Fachverband

Das wichtigste Ereignis die Arbeit der Berufsgruppe und die Unruh‘sche Verbandsarbeit betreffend war bereits in einem Schreiben des Verlages Klasing & Co. GmbH. mitgeteilt und dem Heft 6/1953 der BTR beigelegt worden. Die Bühnentechnische Rundschau wird ab Heft 1/1954 auf Kunstdruckpapier gedruckt, um die zeichnerischen Darstellungen und Bilder besser reproduzieren zu können. Nun war man auch in der Lage der Industrie farbige Werbung geben zu können. 

Das erste Heft brachte ausführliche Berichte von verschiedenen Vorträgen der 3. Vortragsreihe der Theatertechnik, vom Dezember 1953. Die vorgegebene Zielrichtung dieser Veranstaltung hatte sich bereits weitgehend etabliert und wurde von den Fachkreisen entsprechend bewertet. Die Herauslösung der Themen aus dem gewerkschaftlichen Bereich der Berufsgruppe war Unruh gelungen und begann ihre Früchte zu tragen. 

Die 29. Bühnentechnische Tagung in diesem Berichtsjahr fand erst im Oktober in Stuttgart statt. Der erste Vormittag war wieder der Berufsgruppe und deren Themen vorbehalten, der Nachmittag sowie der erste Tag behandelten die fachwissenschaftlichen Themen. 

Den Hauptvortrag zum offiziellen Tagungsbeginn hielt der Ausstattungschef des Berliner Schillertheaters Prof. Willi Schmidt, mit dem Titel: Das Bühnenbild als Ensemblearbeit. Am zweiten Tag sprach Oberingenieur Göpfert von der Maschinenfabrik Wiesbaden über das Thema: Bühnentechnische Elemente mit verschiedenen Antriebsarten, Nutzanwendung und Wirtschaftlichkeit. Der Nachmittag war für Vorträge und Vorführungen folgenden Inhalts vorgesehen: Oberingenieur Kolbe, Siemens-Schuckertwerke, sprach und demonstrierte Bordoni-Regler mit elektromagnetischer Kupplung oder Stromtorschaltung mit vollelektrischem Stellwerk (Stellwarte; Ingenieur Werner Schott, AEG – Berlin, Lichtregelung im Theaterbetrieb vom Regeltrafo bis zur Stromtorsteuerung und Wolfram Schumacher Elektronisch gesteuerte Regeleinrichtung für Bühnenstellwerke. Letztgenannte drei Vorträge bewiesen die Wichtigkeit der Frage, wie eine zukünftige Stellanlage für die Veranstaltungsbeleuchtung (Theater und Fernsehen) aussieht? Die in Deutschland erzeugten verschiedenen Modelle von Siemens und AEG standen dabei in Wettstreit mit den aus dem Ausland (GB, 5 und USA) vorherrschenden Systemen. Der Wichtigkeit entsprechend wurden diese Vorträge in späteren Ausgaben der BTR ausführlich wiedergegeben. 

Im gleichen Heft der BTR erschien die Einladung zur 4. Vortragsreihe Theatertechnik im Haus der Technik in Essen am 10. Dezember. Dort waren Lichtbildervorträge von Prof. Scharoun über den Neubau des Staatstheaters Kassel, von Dr.-lng. h. c. Riphahn über den Neubau des Opernhauses Köln und von Architekt G. Weber über den Neubau des Nationaltheaters Mannheim vorgesehen. Als Ergänzung dazu waren drei Referate über folgende Themen vorgesehen: Wirtschaftlicher Bau und Betrieb – auch im Theater von dem mittlerweile wegen seiner Lehrtätigkeit an der TU Berlin zum Professor ernannten W. Unruh, Akustische Gesichtspunkte beim Entwurf und Bau von Bühnendekorationen von dem Akustiker Dr.-lng. W Gabler TU Berlin, und Klimatisierung von Theatergebäuden, von Ing. R. Stein Lufttechnische Gesellschaft mbH (LTG), Düsseldorf. Die absolute fachwissenschaftliche Kompetenz dieser Veranstaltung wurde durch den engen Zusammenhang mit der Hauptversammlung des FNTh im DNA und dessen Fachausschüssen zusätzlich unterstrichen. 

Auch andere Fachzeitschriften griffen Themen der Theatertechnik – Veranstaltungen auf. So befasste sich die Bauwelt in ihrem Heft 34/1 954 mit dem Thema der Kleinbühnen in Sälen auf dem Lande, welche oft unzureichend angelegt seien und unter teilweise unwürdigen Umständen für die Nutzer Umkleideräume, Wasch- und Toilettenanlagen zu verzeichnen hätten, was im Zusammenhang mit der zunehmenden Gastspieltätigkeit fester Theater oder reisender Unternehmen nicht mehr zu verantworten sei. Die Internationale Lichtrundschau, herausgegeben von der Stichting Prometheus in Amsterdam, brachte in ihrem Heft 1/1954 ausführliche Berichte über die Lichtregie und deren praktische Umsetzung in die Realität Wieland und Wolfgang Wagners bei den Bayreuther Festspielen 1953. Ergänzt wurden diese Berichte durch technische Angaben und Abbildungen der Voraussetzungen dazu von Prof. W. Unruh. 

Man hatte mittlerweile erkannt, dass die deutsche Theatertechnik weltweit wieder Maßstab bildend in das Veranstaltungsgeschehen eingriff und technische Innovationen vehement vorantrieb. 

Personalien

Herbert Hammann, Mitinhaber der Firmen Adolf Hammann & Co., Textilgroßhandel und Wilhelm Hammann K.G., Theaterwerkstätten in Düsseldorf, sowie der Fahnenfabrik Wunderwald & Hammann, Düsseldorf, sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum. Er hat durch sein tatkräftiges und umsichtiges Wirken entscheidend zum Wiederaufbau der bekannten Betriebe nach der Totalzerstörung im Kriege beigetragen.
Der Baurat Albert Otto Rall, erlag im Alter von fast 70 Jahren einem Verkehrsunfall. 40 Jahre gehörte er dem Verband der Württembergischen Staatstheater in Stuttgart an, wo er vom technischen Assistenten, Ingenieur, technischen Leiter, technischen Bühnenvorstand und Direktionsvorstand zum Technischen Direktor sämtlicher drei Bühnen des Staatstheaters aufgestiegen war. 

Im März starb unerwartet im 78. Lebensjahr in seinem Eschenhof in Pansdorf bei Lübeck der Bühnenbildner Prof. César Klein.
In Paris verstarb achtzigjährig der international bekannte Architekt und Verfechter des modernen Eisenbetonbaus in Frankreich, sowie Lehrer von Le Corbusier, A. Perret. Er beeinflußte nicht nur die französische Architektur von 1910 – 1935, sondern auch den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete nach dem 2. Weltkrieg. 

Ebenfalls im März verstarb kurz nach Vollendung seines 75. Lebensjahres der langjährige Technische Direktor der Preußischen Staatstheater, Professor Rudolf Klein. Er kam 1911 zusammen mit Georg Hartmann an das 1912 neu eröffnete Deutsche Opernhaus in Berlin – Charlottenburg. Ab 1928 wurde er durch Heinz Tietjen an die Preußischen Staatstheater mit der damals umgebauten Staatsoper Unter den Linden berufen, wo er bis 1945 im Amt war. 

Im Oktober verstarb im Alter von 68 Jahren der Bühneninspektor und stellvertretende Technische Leiter der Wiener Staatsoper Ernest Klepp. Er war lange Jahre Assistent und Vertreter von Hofrat Ferdinand Jaschke, mit dem er allein 44 Jahre zusammengearbeitet hat. 

Im Mai beging Professor Emil Pirchan, der bekannte Bühnenbildner und Schriftsteller seinen 70. Geburtstag. Er war nach München in Berlin Ausstattungschef der Staatstheater mit Leopold Jessner und Max von Schillings.
Das 40-jährige Berufsjubiläum feierte Erich Kälberer, der 1914 bei der Firma Willy Hagedorn, Berlin, als Mechanikerlehrling eingetreten war und sich bis zum Betriebsleiter und Prokuristen hochgearbeitet hatte. Seine wesentlichsten Patente und Erfindungen waren: der Projektionsapparat UK 100, die Effekttrommel mit auswechselbarem Motor, der elektromotorisch gesteuerte Farbwechsler und das Entzerrungsgerät für Projektionsbilder. Nachdem der Betrieb 1945 zerstört worden war, hat er die weit bekannte Beleuchtungswerkstätte mit einfachsten Mitteln in der Möckernstraße wieder aufgebaut und nach dem Tode des ursprünglichen Firmeninhabers Willy Hagedorn unter dessen Namen weitergeführt.

Theatergeschichte 

Friedrich Hansing berichtete in Heft 1 der BTR ausführlich über den Wettbewerb zum Wiederaufbau des Kleinen Hauses der Württembergischen Staatstheater in Stuttgart. Dieser Teil der Theater-Doppelanlage mit Werkstätten und Magazinen war im zweiten Weltkrieg bei Luftangriffen völlig zerstört worden und lag seit 10 Jahren brach.
In einem Aufsatz in Heft 2 der BTR wurde zum ersten Mal ausführlich mit den Bühneneinrichtungen japanischer Theaterspielstätten bekannt gemacht. Insbesondere wurden die No – und die Kabukibühne genauestens beschrieben. Diese Informationen wurden deshalb wichtig, weil verschiedene deutsche Opernhäuser und philharmonische Konzertorchester zu Gastspielen nach Japan eingeladen worden waren. 

Auch der Artikel über: Formen und Möglichkeiten einer neuen Schulbühne war für deutsche Theatertechniker aufschlußreich. Daraus ein Zitat: 

Die amerikanischen Universitätstheater mit ihren Zentralbühnen sind oft als Beispiel für die moderne Theaterentwicklung zitiert worden. Auch im deutschen Schulwesen zeigt sich die Neigung, das Theater als Unterrichtsfach einzuführen nicht etwa um Berufstheateraufführungen dilettantisch zu ersetzen, sondern um durch das Spiel und die Diskussion den Schüler von Hemmungen zu befreien und seine Persönlichkeit mit dem Hilfsmittel des Theaterspielens zu ergründen und zu stärken. Im Zusammenhang mit der Anlage derartiger Schulbühnen entstehen auch sicherheitstechnische Fragen.

Das neue Teilgebiet der Theatertechnik gewann immer mehr an Bedeutung, da mit der Gesamtliberalisierung des Schulbetriebes ganz allgemein aus erzieherischen Gründen das Theaterspiel mit all seinen Facetten in den Vordergrund rückte. 

Der Technische Direktor Paul Kuhnert, Frankfurt a. M. und München, widmete sich deshalb intensiv dem Thema Schultheaterbühnen und gründete zum Bau solcher Anlagen einen eigenen Holzbearbeitungsbetrieb in Gauting. 

Im April wurde in Ostberlin die Eröffnung der wiederaufgebauten Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz gefeiert. Da dieses Ereignis weit über die DDR auch in den Westen ausstrahlte, wurde in Heft 3 der BTR ein ausführlicher Aufsatz des Technischen Direktors der Volksbühne, Alfred Stricker, darüber veröffentlicht. 

Hans Birr, Technischer Direktor der Städtischen Bühnen Düsseldorf, berichtete im gleichen Heft über Das Düsseldorfer Ausweichtheater, ein Filmtheater mit Bühnen- und Garderobenhaus für gelegentliche Theaterbespielung. Das Haus wurde benötigt, weil die im Krieg stark beschädigte Düsseldorfer Oper dringend saniert werden musste, um weiter bespielt werden zu können. 

Richard Southern berichtete in Heft 4 der BTR über eine neue Modellrekonstruktion des Elisabethanischen Theaters in London. 

Für den Neubau eines Theatergebäudes auf dem Areal des Sommerkasinos in Basel war ein beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben worden. Das Ergebnis dieser Ausschreibung wurde in Heft 4 der BTR mit ausführlichen Beschreibungen und Abbildungen wiedergegeben. 

In Heft 5 der BTR gab der inzwischen im Vorstand der Ruhrfestspiele Recklinghausen tätige Technische Direktor Adolf Zotzmann einen ausführlichen Bericht über die Entstehung und Weiterentwicklung der Recklinghauser Ruhrfestspiele aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen in der technischen Umsetzung der Inszenierungen. 

Im gleichen Heft wurden die technischen Voraussetzungen der seit 1951 unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Theodor Heuß stehenden Bad Hersfelder Festspiele beschrieben. 

Rolf Gebhardt, der Technische Leiter des Stadttheaters Gelsenkirchen gab im gleichen Heft einen Bericht über den Architektenwettbewerb für einen Theaterneubau in Gelsenkirchen. 

Ein weiterer Bericht über den interessanten Umbau eines bestehenden Konzerthauses in ein Volltheater wurde von Unruh im Heft 6 der BTR gegeben. Durch den Kriegsverlust des alten Karlsruher Hoftheaters war man gezwungen das leicht beschädigte, früher für Konzerte, kleine Sommeroperette und Kino benutzte Konzerthaus für das Staatstheater als Ersatzspielstätte zu übernehmen. Da die dortigen technischen Einrichtungen einem Volltheaterbetrieb nicht genügten und Mittel für einen kompletten Neubau eines Theatergebäudes nicht verfügbar waren, beschloss man die unzureichenden technischen Voraussetzungen durch einen ca. 1,4 Millionen DM teueren Umbau des Konzerthauses, für die Benutzung als Großes Haus des Staatstheaters zu investieren. Der Umbau erfolgte in der kurzen Zeit der Spielpause von Mai bis Oktober. 

Zum Schluss noch eine kurze Mitteilung über den Wechsel eines Dresdner Kollegen in den Westen an das Stadttheater Hagen (Westf.). Es handelte sich um Helmut Großer, der am Neuanfang seiner Berufslaufbahn in der Bundesrepublik als Technischer Bühnenvorstand stand. 

Aus all den vorgenannten Berichten konnte man entnehmen, dass überall – trotz der allgemein noch negativen Alltagslage – der unwiderstehliche Drang nach vollwertigem Theater bestand und allerorts alle bestehenden Möglichkeiten aus geschöpft wurden, um die Notlage der kriegszerstörten Spielstätten zu beheben. 

In dem in Heft 5 der BTR erschienen Bericht, über die Holländerinszenierung Wolfgang Wagners in Bayreuth, interessierte besonders die von der Fa. Reiche & Vogel und dem Technischen Leiter der Festspiele, Paul Eberhardt entwickelten Xenon-Projektions – und – Lichtwerfergeräte. Es handelte sich um eine Spezialkonstruktion für die Erscheinung des Holländerschiffes und zwei für Wellen-‚ Brandung – und Wolkenprojektionen erforderliche Geräte mit Xenonlampen. Auch diese Entwicklungen bildeten eine richtungsweisende Innovation für die Anwendung der Xenonlampen in der Bühnenbeleuchtung. 

In Heft 6 der BTR gab der FNTh das Erscheinen der beiden Normentwürfe DIN 56 922 Bühnenbetrieb – Bohrer und DIN 56 923 Bühnenbetrieb – Scharniere bekannt. Zum Normentwurf DIN 18 600 Theaterbauordnung hielt der FN Bauwesen 11.8 im Oktober und November drei Arbeitssitzungen ab, die als Ergebnis die Genehmigung des überarbeiteten Entwurfes bekanntgaben. Der FN Feuerlöschwesen hatte in Zusammenarbeit mit dem FNTh den dritten Rahmenentwurf für die Norm DIN 14 480 Feuerlöschgeräte und Löscheinrichtungen in Theatern bearbeitet. Außerdem gab der FNTh das Erscheinen der endgültigen Normen DIN 56 921, Blatt 1 Prospektzüge, Tragkraft bis 300kg, sowie DIN 56 921 Blatt 2 Prospektzüge, Tragkraft bis 300 kg, Einzelteile bekannt. Anschließend sei noch auf den überarbeiteten Entwurf VDE 01 08/ 55 Vorschriften für die Errichtung und Betrieb elektrischer Starkstromanlagen in Bauwerken für größere Menschenansammlungen hingewiesen. Vorgenannte Veröffentlichungen ließen erkennen, dass der FNTh mittlerweile etabliert war und wesentliche Voraussetzungen und Grundlagen für die Normung in der Theatertechnik geschaffen hatte, die von der theater beliefernden Industrie sofort aufgegriffen wurden. 


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